Umbau

Dach für Happel-Stadion: Nachhaltigkeit kein Kriterium für Vergabe?

GEPA pictures / Walter Luger
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Für 50 Mio. Euro soll das Ernst-Happel-Stadion ein Dach bekommen. Architekten kritisieren weiter die Ausschreibung der Stadt.

Wien. Das „erste energieautarke Stadion Europas“ soll das Ernst-Happel-Stadion werden. Für eine Modernisierung samt Fotovoltaikanlage am Ovaldach und Erdsonden für Heizung und Warmwasser hat sich die Stadt vom Gemeinderat im November 101 Millionen Euro genehmigen lassen. Die Hälfte dieses Geldes soll in den Bau eines mobilen Daches für die Ganzjahresnutzung fließen. Doch genau hier dürfte man es mit der Nachhaltigkeit nicht so genau nehmen.

Zumindest nach Ansicht der Kammer der Ziviltechniker, Architekten und Ingenieure für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Vor gut zwei Monaten kritisierten diese die Ausschreibung für das Dach heftig. Kammerpräsident Bernhard Sommer sprach gegenüber der „Presse“ von einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ der Stadt und einer intransparenten Ausschreibung. Am Dienstag legte die Kammer noch einmal nach.

Hauptkritikpunkt der Architekten: Die Vergabe als Totalunternehmerverfahren. Das bedeutet, dass sowohl Planung als auch Bau vom selben Unternehmen durchgeführt werden. Die öffentliche Hand, in dem Fall die Stadt, gebe so ihre Kontrollmöglichkeiten ab, „eine Qualitätssicherung wird unmöglich gemacht“, mittelständische Unternehmen würden de facto ausgeschlossen, so Sommer.

Für die Bewertung der Angebote würden nur zwei Kriterien herangezogen: Einerseits der günstigste Preis, andererseits die Länge der Transportwege. Letzteres sei das einzige Nachhaltigkeitskriterium, sagte Kammer-Vizepräsident Peter Bauer. „Ob CO2-armer Stahl verwendet wird, oder eine besonders innovative Idee angewandt wird, kann nicht bewertet werden.“ In eine verantwortungsvolle Planung müsse auch miteinfließen, wie ein Bauwerk wieder rückgebaut werden kann. Auch das gehe in dem Verfahren unter.

Die Kammer befürchtet zudem, dass das Projekt für die Stadt – und damit die Steuerzahler – letztlich teuer kommen könnte. So sei in der Ausschreibung etwa nicht spezifiziert worden, inwieweit Wartungskosten für das mobile Dach einzuplanen seien. „Es kann sein, dass der Preis hält, aber die Qualität nicht“, so Sommer. Er sieht die Gefahr von hohen Folgekosten.

Architekten zogen vor Gericht

Diesen Unsicherheiten könne man zuvorkommen, wenn die Planung ausgelagert würde – also ein Architekturwettbewerb abgehalten und erst dann ein Bauunternehmen gesucht würde. Dass die Architektenkammer daran ein Interesse hat, liegt auf der Hand und gibt auch Sommer zu. Gemeinsam mit einigen Kollegen hat er eine Arbeitsgruppe gegründet, die Ausschreibung vor Gericht angefochten und einen Nachprüfungsantrag gestellt. Das Verwaltungsgericht wies die Architekten jedoch zurück, sie hätten gar kein Recht auf einen Antrag. Dagegen protestierten die Architekten beim Verfassungsgerichtshof wegen Ungleichbehandlung. Eine Entscheidung ist ausständig.

Auch wenn die Architekten Recht bekommen sollten – bis dahin hat die Stadt wohl längst einen Unternehmer für das Stadiondach gefunden. „Wir können mit dem Verfahren nichts gewinnen, außer eine bessere Vergabekultur, und dass der Markt verbessert wird“, sagt Sommer. Denn im Moment sei ein „besorgniserregender Trend in öffentlichen Vergaben hin zu Totalunternehmerverfahren“ zu erkennen. Das Stadiondach sei bloß ein besonders extremes Beispiel. (twi)

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