Gastkommentar

Die FPÖ will Österreich orbánisieren und trumpisieren

Peter Kufner
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Es liegt an den anderen politischen Parteien, zu verhindern, dass die Freiheitlichen wieder in einer Regierung sitzen.

Extrem rechte Parteien sind in Europa im Aufwind. Auch in Österreich sagen Umfragen zur Nationalratswahl die FPÖ als stimmenstärkste Partei voraus. Sie könnte zum dritten Mal in die Regierungsrolle wechseln. Viele befürchten dadurch eine Gefährdung der Demokratie. Dies nicht ohne Grund.

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Wesentliche freiheitliche Repräsentanten, keineswegs nur der Obmann Herbert Kickl, betrachten Viktor Orbán als ihr Vorbild. Orbáns Marschrichtung liegt innenpolitisch in der Durchdringung aller staatlichen, staatsnahen aber auch gesellschaftlichen Einrichtungen mit seinen Gefolgsleuten und europapolitisch in einer Blockadepolitik in Brüssel und der Unterstützung des russischen Machthabers, Wladimir Putin, in seinem Krieg gegen die Ukraine.

Harald Vilimsky wiederum, FPÖ-Spitzenkandidat für die Wahl zum Europaparlament, zeigt sich recht begeistert von Donald Trump, der von sich wissen lässt, dass er „nur“ am Tag eins nach der Wahl Diktator sein werde. Die FPÖ sagt also klar, wohin sie Österreich führen will, welche Freiheiten und Meinungen sie duldet, was sie von Menschenwürde und Menschenrechten hält. Wundern wird sich dann also niemand müssen.

Wo Rechtspopulisten zupacken

Regierungen unterscheiden sich in ihren Programmen, Regierungshandeln hat Konsequenzen auf mehreren Ebenen. Ob beispielsweise mehr oder weniger Kinderbetreuungsplätze öffentlich finanziert werden, beeinflusst den Alltag von Familien ebenso wie die Chancen der Kinder; ob etwa Umwelt- und Naturschutz Priorität bekommen oder ins Reich der Verschwörungserzählungen verbannt werden, ist essenziell für nachhaltige Lebensgrundlagen.

Regierungen sind mächtig. Neben der Sachpolitik liegt ihre Macht in der Personalpolitik. So entscheidet die österreichische Bundesregierung nicht nur über das Führungspersonal in den Ministerien, sondern auch in wichtigen Kontrollinstanzen und öffentlich-rechtlichen Entscheidungsorganen. Die österreichische Bundesregierung hat qua Amt das Nominierungs- beziehungsweise Vorschlagsrecht für Vorsitz und Mitglieder im Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, in der Nationalbank, für den ORF-Stiftungsrat sowie für die Universitätsräte.

Der Rechnungshofpräsident wird zwar vom Hauptausschuss des Nationalrats gewählt, aufgrund der Klubdisziplin ist de facto die parlamentarische Regierungsmehrheit entscheidend. Damit nicht genug. Die Bundesregierung ist auch die Schlüsselakteurin der Europapolitik: Sie ist in allen rechtsetzenden EU-Gremien vertreten, sie schlägt unter anderem ein Mitglied für die EU-Kommission sowie für den Europäischen Gerichtshof vor.

Diese weitreichenden personellen Kompetenzen in politischen Institutionen im engeren Sinn ebenso wie in den kontrollierenden, machtausgleichenden Säulen der Demokratie unterstreichen die Wichtigkeit der Regierungsparteien für Bestand, Ausbau oder Abbau des demokratischen Systems. Die demokratischen Institutionen sind es aber, die in einer Reihe von Staaten massiv unter Druck stehen.

Der öffentliche Dienst, die Justiz und die öffentlich-rechtlichen Medien, Journalistinnen und Journalisten sowie die Opposition ebenso wie die Menschenrechte sind jene Bereiche, auf die Autokraten und Rechtspopulisten rasch und hart zugreifen, wo sie Regeln ignorieren oder ändern, professionelles Personal gegen loyales ersetzen – siehe in Europa Ungarn, früher Polen und jetzt die Slowakei.

Doppelte Festlegung

Die Orbánisierung bzw. Trumpisierung Österreichs ist keine Naturnotwendigkeit. Sie kann an der Wahlurne und durch strategisches Verhalten der politischen Parteien verhindert werden. Jene Parteien, die das Anliegen der Demokratiestabilisierung ernsthaft verfolgen, müssten in zweierlei Hinsicht handeln.

Erstens sollten sie erklären und selbstverständlich nach der Wahl einhalten, dass sie keine Koalitionsregierung mit der FPÖ bilden werden – die ÖVP schließt derzeit lediglich eine Regierungsbeteiligung mit Herbert Kickl aus. Zweitens sollten sie erklären, dass sie sich einer Regierungsbeteiligung nicht verweigern, sondern für Regierungsvarianten ohne FPÖ offen sind.

Es geht jetzt also nicht darum, dass sich Parteien auf eine bestimmte Variante festlegen, sondern dass sie versichern, mit ihrem Zutun den rechtsextremen Rand nicht in die Regierungsmitte zu rücken.

Eine solch doppelte Festlegung wäre für Wähler und Wählerinnen, denen der demokratische Rechtsstaat ein Anliegen ist, wichtig; sie würde politische Orientierung erlauben, ein Stück Sicherheit in generell unsicheren Zeiten geben. Als eine der größeren Parteien müsste die SPÖ jetzt nicht nur dezidiert eine Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen ablehnen, sondern ihre Bereitschaft für eine Regierungsbeteiligung erklären.

Das Gebot der Stunde

Nicht in der Gesinnungsethik zu verbleiben, sondern aktiv Verantwortung zu übernehmen, wäre das Gebot der Stunde. Eine Koalitionspolitik bedeutet, einige kantige Positionen zu revidieren und so möglicherweise Glaubwürdigkeit einzubüßen. Gleichzeitig könnte die SPÖ aber Vertrauen gewinnen, wenn sie sich als Garantin für die Demokratie profiliert, indem sie für alle diesem Ziel dienenden Koalitionsvarianten offen ist.

Bekanntlich ist die Volkspartei eine Meisterin bei der Besetzung von Posten und Positionen, nicht zuletzt, weil sie seit fast 40 Jahren ohne Unterbrechung eine Regierungspartei ist. In dieser Zeit hat sie aber auch gezeigt, dass es einen Unterschied macht, mit wem sie in der Regierung sitzt, mit welchen Parteien sie sich um Absprachen und Kompromisse bemühen muss. Weniger Partei- und Klientelpolitik ist möglich.

So führten die Grünen am Beispiel der Änderung des Bestellungsmodus des Präsidenten/der Präsidentin des Obersten Gerichtshofs vor, dass weniger politische Einflussnahme umsetzbar ist – die Personalentscheidung beim OGH trifft mittlerweile nicht mehr die Bundesministerin, sondern ein unabhängiger Richtersenat.

Gegenteilige Entwicklungen wie strikt parteipolitische Besetzungen und fragwürdige Reformen (zum Beispiel Sozialversicherung) kennzeichneten hingegen die letzte ÖVP-FPÖ-Regierungsphase.

Zuerst spricht der Wähler …

Vor der Wahl bestimmte Regierungskoalitionen anzusagen, hat in Österreich wenig Tradition. Zuerst spricht der Wähler, dann wird die Regierung gebildet, lautet der oft geäußerte, wenn auch irreführende Satz. Und wenn bestimmte Regierungskoalitionen im Vorfeld ausgeschlossen werden, dann muss dies nicht auch nach der Wahl noch gelten.

Diese jüngsten Erfahrungen nähren das Misstrauen und den Frust gegenüber der Politik insgesamt. Sie lehren aber dennoch, dass im Vorfeld der Wahl eine breite gesellschaftliche Debatte über Koalitionen geführt werden müsste, da es die Zusammensetzung einer Regierung ist, die über Qualität und Integrität demokratischer Politik entscheidet.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Autorin

Sieglinde Rosenberger (* 1957) Univ.-Prof i.R. für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Mitinitiatorin des Aufrufs „Für Demokratie und Rechtsstaat – keine Regierung mit der FPÖ“.

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