Klimawandel

„Hundsmiserables Jahr“: Nur ein Gletscher schmolz nicht

Österreichs größter Gletscher, die Pasterze, schrumpfte im vergangenen Jahr so stark wie noch nie. Der See davor wird hingegen immer größer.
Österreichs größter Gletscher, die Pasterze, schrumpfte im vergangenen Jahr so stark wie noch nie. Der See davor wird hingegen immer größer. Alpenverein / Raich
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Der Gletscherbericht des Alpenvereins zeigt: Das vergangene war das drittschlechteste Jahr für Österreichs Gletscher. In 40 bis 45 Jahren werden sie weitgehend verschwunden sein.

Überraschend kommt es nicht, angesichts von Hochsommertemperaturen im April und einem Rekordhitzejahr 2023: Auch im vergangenen Jahr sind Österreichs Gletscher laut aktuellem Gletscherbericht des Alpenvereins (AV) wieder stark zurückgegangen. 2022/23 war demnach das drittschlechteste Jahr für Österreichs Gletscher. Oder wie es Gerhard Lieb, Leiter des AV-Gletscherdienstes bei der Präsentation des Berichts am Freitag ausdrückte: „Es war ein hundsmiserables Jahr“.  

Immerhin: Bei einem der 93 vom Alpenverein beobachteten Gletscher konnte kein Schrumpfen festgestellt werden. Dass der Bärenkopfkees in der Glocknergruppe in Salzburg gleich lang blieb, bedeute aber bei weitem keine Trendwende. „Das ist eher ein Zufall“, so Lieb, vermutlich durch abgegangenen Lawinenschnee, der das Schmelzen aufhielt. Im Gegenteil: Die Gletscherschmelze sei angesichts der Klimawandels nicht mehr aufzuhalten: „In 40 bis 45 Jahren wird Österreich weitgehend eisfrei sein“ sagte Andreas Kellerer-Pirklbauer, ebenfalls Leiter des Gletschermessdienstes und wie Lieb Mitarbeiter des Instituts für Geografie und Raumforschung an der Universität Graz.

Von den 93 beobachteten Gletschern wurden 79 von ehrenamtlichen AV-Mitarbeitern vermessen. Durchschnittlich schrumpften die Gletscher demnach um 23,9 Meter – es ist der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Messreihe. Dramatischer war es nur in den Jahren 2021/22 (ein Gletscherjahr beginnt und endet mit Spätsommer) mit -28,7 Metern und in den Jahren 2026/17 (-25,2 Meter).

Größter Gletscher mit Rekordschwund

Weit über dem Durchschnitt zeigte sich der Schwund bei Österreichs größtem Gletscher, der Pasterze in Kärnten. Mit einem Rückgang von 203,5 Metern war sie der Gletscher mit dem größten Längenschwund, nicht nur im vergangenen Jahr, sondern in der gesamten Messgeschichte. Gefolgt in der Rangliste der größten Rückgänge wurde die Pasterze von drei Gletschern in Tirol, der Rettenbachferner (-127 Meter) und der Sexegertenferner (-93,7 Meter) in den Ötztaler Alpen sowie der Schlatenkees in der Venediger Gruppe.

Nicht nur in der Länge merke man die Veränderungen durch die Erderwärmung, sagte Lieb. „Wir beobachten ein Ausdünnen des Eises, zunehmende Steinschlaggefahr und mit Schutt bedeckte Eisflächen. Das alles macht es immer gefährlicher zu arbeiten.“ Dennoch sei es auch heuer zu keinen Zwischenfällen gekommen, schilderte Kellerer-Pirklbauer. Auch der größer werdende See vor der Pasterze sei eine sichtbare Auswirkung: War dieser mit 0,2 Hektar im Jahr 1998 noch fast inexistent, misst er mittlerweile 45 Hektar, so Kellerer-Pirklbauer.

Der Gletscherbericht des Alpenvereins konzentriert sich traditionell auf die Länge der Gletscher, dennoch wurden auch Abschätzungen des Volumens vorgenommen. Die Pasterze etwa sank um 6,4 Meter ein, im vergangenen Jahr schmolz demnach ein Volumen von 14 Millionen Kubikmeter Eis, was 13,6 Millionen Kubikmeter Wasser entspricht.

Ausschlaggebend für die starke Gletscherschmelze sei das warme und niederschlagsarme Wetter im Gletscherjahr gewesen. So war es zwischen Oktober 2022 bis September 2023 im Schnitt um 1,7 Grad wärmer als in der Referenzperiode 1981-2020. Zudem fehlte es, trotz niederschlagsreicher Monate im April und August 2023, übers ganze Jahr gesehen an Neuschnee, der der Schmelze Einhalt gebieten kann.

Gletscherschutz „ohne Wenn und Aber“

„Wir haben uns daran gewöhnt, an eine Negativschlagzeile nach der anderen“, sagte Alpenvereins-Vizepräsidentin Nicole Slupetzky. Sie warnte dennoch davor, dies zur Normalität werden zu lassen. Gerade weil Österreichs Gletscher ein Ablaufdatum hätten, müsse man sie so schützen, „ohne Wenn und Aber“. „Der alpine Raum steht permanent unter Druck, etwa durch neue Skilifte oder Zusammenschlüsse von Skigebieten. In Österreich sind nur mehr sieben Prozent der Landschaft unberührt, und die müssen wir uneingeschränkt schützen.“ Lieb ergänzte: „Es geht darum, die Biodiversität zu erhalten, da gehören die Gletscher dazu.“ Lieb mahnte zudem eine „ambitionierte Klimapolitik“ ein: „Die Gletscher Österreichs kann man damit nicht mehr retten, auf der globalen Ebene sieht das anders aus.“

Der Gurgler Ferner und das Ramolhaus in den Ötztaler Alpen um 1920 (oberes Bild) und in einer Aufnahme aus 2023.
Der Gurgler Ferner und das Ramolhaus in den Ötztaler Alpen um 1920 (oberes Bild) und in einer Aufnahme aus 2023. APA / ÖAV-Laternbildsammlung/ Jürgen Merz

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