Sicherheitspoltik

Norwegens historische Explosion der Streitkräfte

Norwegische Panzergrenadiere mit CV90-Kampfschützenpanzern in Finnmark (Nordnorwegen).
Norwegische Panzergrenadiere mit CV90-Kampfschützenpanzern in Finnmark (Nordnorwegen).Norwegische Streitkräfte/Jakob Ostheim
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Die Mitte-Links-Regierung leitet eine annähernde Verdoppelung des Militärbudgets und des Streitkräfteumfangs über die kommenden zwölf Jahre ein. Hintergrund sind der Ukraine-Krieg und mögliche Bedrohungen durch den Nachbarn Russland.

  
Oslo. Das nordische Nato-Land Norwegen plant angesichts des Ukraine-Kriegs und möglicher künftiger Gefahren aus Russland eine beispiellose Steigerung seiner Militärausgaben. Die Regierung gab am Freitag bekannt, dass man diese im Lauf der kommenden zwölf Jahre bis 2036 um umgerechnet insgesamt ca. 52 Milliarden Euro steigern werde. Das kommt im Vergleich zu bisher beinahe einer Verdoppelung der Ausgaben gleich. Insgesamt sollen sie bis 2036 demnach fast 140 Milliarden Euro betragen.

„Dieser Plan bedeutet eine historische Ausweitung der Militärausgaben und geht einher mit einer bedeutenden Stärkung aller Teilstreitkräfte“, sagte Regierungschef Jonas Gahr Støre, ein Sozialdemokrat, am Freitag vor Journalisten. Inflationsbereinigt werden die Ausgaben demnach um etwas mehr als 80 Prozent steigen.

Zuletzt (2022/23) betrugen die Militärausgaben des nach Einwohnerzahl recht kleinen Landes (ca. 5,5 Millionen Einwohner) ungefähr 7,7 Milliarden Euro. Damit lag es in absoluten Zahlen im vorderen Mittelfeld der mittlerweile 32 Nato-Länder. Gemessen an Ausgaben pro Kopf ergibt das Platz 2 nach den USA (Norwegen liegt wegen der kleinen Bevölkerung, dem hohen Preisniveau und den relativ hohen Militärausgaben traditionell sehr weit vorne im Nato-Ranking), gemessen am Anteil am BIP (ca. 1,7 Prozent) aber doch merklich unter dem zumindest demonstrativen Nato-Ziel von zwei Prozent, zuletzt ergab das Rang 19, wobei auf Rang 1 Polen mit 3,9 Prozent lag, danach die USA (3,5), vor Norwegen lagen auch noch etwa Griechenland, Rumänien, Ungarn und die Niederlande.

„Anpassung an die neue Situation“

Aktuell umfassen Norwegens Streitkräfte aktiv nur etwa 25.000 Mann, davon etwa 9000 im Heer. Damit liegt Norwegen (die Zahlen sind aktuell etwas fließend) etwa auf Rang 17 im Nato-Ranking, dazu kommen rund 60.000 Mann Reserve, insbesondere im Rahmen der Heimwehr, eine Art leichte Infanterie zur Raumverteidigung.

Laut Plan der Regierung sollen künftig mehr als 20.000 Soldaten inklusive Zivilpersonal dazukommen, dazu viel neues Material. Der harte Kern des Heeres, bisher zusammengefasst in nur einer einzigen Brigade (Brigade Nord, HQ in Bardufoss, ca. 5000 Mann), wird demnach auf drei Brigaden erweitert, von denen eine noch näher an die russische Grenze in der Region Finnmark vorgeschoben wird.

„Wir brauchen eine Verteidigung, die an die aktuelle Situation und die Bedrohungen angepasst ist. Dieser Plan ist ein historischer Schub für die norwegische Verteidigung“, sagte Ministerpräsident Støre. Der Plan wird nun dem norwegischen Parlament vorgelegt.

Soldaten der Heimwehr in Oslo.
Soldaten der Heimwehr in Oslo.Forsvaret

Seit 2015 gilt übrigens die Wehrpflicht auch für Frauen, Norwegen ist hier das einzige Nato-Land, die Wehrpflicht beträgt zwölf Monate am Stück plus sieben Monate Übungen in den Folgejahren.

Der Ukraine-Krieg hat Norwegens Blick auf Russland nicht zuletzt wegen der gemeinsamen Grenze in der Arktis verschärft, auf dem Festland ist sie etwa 200 Kilometer lang und seit dem Ukrainekrieg für Russen weitgehend dicht. Nordnorwegen ist neben dem Großraum Oslo im Süden ein Schwerpunkt der militärischen Kräfteverteilung in dem schmalen, langgezogenen Land. Krieg gab es zwischen Russland und Norwegen noch nie, doch sprach die Regierung kürzlich in einem Positionspaper davon, dass man „für viele Jahre mit einem gefährlicheren und unberechenbaren Nachbarn Russland leben“ müsse.

„Unberechenbarer Nachbar Russland“

Wegen erheblicher Materialspenden an die Ukraine ist der Umfang der Großwaffensysteme der Norweger aktuell schwer einzuschätzen, vor allem beim Heer. Die vergleichsweise starke Luftwaffe zählt jedenfalls im Kern aktuell etwa 35 F-35 „Lightning II“-Jets von Lockheed Martin; bis 2021 hatte man fast 60 F-16 Fighting Falcons, davon gingen 32 an Rumänien, vom Rest dürfte ein noch unklarer Teil in die Ukraine überstellt werden. Die Marine betreibt im Kern vier Fregatten, sechs Korvetten und sechs U-Boote, nun sollen mindestens fünf Fregatten und fünf U-Boote dazukommen.

Das U-Boot KNM Utvær in einem Fjord vor Bergen.
Das U-Boot KNM Utvær in einem Fjord vor Bergen.Forsvaret

Dank des enormen Staatsfonds aus angesparten Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft könne man aufrüsten, ohne dass die Bürger das im Alltag spüren müssten, etwa im Gesundheitswesen, sagte Støre. Das Fondsvermögen wurde zuletzt mit fast 1,5 Billionen (!) Euro angegeben. (Reuters/wg)

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