Interview

Italienischer Star-Autor Gianrico Carofiglio: »Wir lernten, miteinander zu reden«

„Die ersten Seiten sind immer schrecklich“, sagt der italienische Bestseller-Autor Gianrico Carofiglio.
„Die ersten Seiten sind immer schrecklich“, sagt der italienische Bestseller-Autor Gianrico Carofiglio. Clemens Fabry
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Gianrico Carofiglio ist einer der bekanntesten italienischen Schriftsteller, seine Krimis sind Bestseller. Der Ex-Staatsanwalt und frühere Senator erklärt, was seine Karrieren verbindet und warum er schreibt. Er spricht über starke Frauen, den Groll und gefährliche Träume von Vergangenem. Und verrät, worüber er mit seiner Tochter streitet – und wie er ihr über ein Buch nahekam.

Viele Leser lernten Ihre Heimatstadt Bari, im süditalienischen Apulien, dank Ihrer Krimis kennen. Ihr letzter auf Deutsch übersetzter Roman, „Groll“, spielt aber in der norditalienischen Metropole Mailand. Warum?

Gianrico Carofiglio: Mailand ist eine Stadt, die ich gut kenne und sehr mag. Ich war als Staatsanwalt oft dort, später auch als Schriftsteller. Mailand ist die europäischste Metropole Italiens und eine der interessantesten, avantgardistischsten Städte Europas. Aber sie hat dunkle Seiten. Meine Hauptfigur, Penelope, eine harte und zugleich zerbrechliche Frau, ist Teil der Erzählung dieser Metropole.

Nicht nur Mailand ist eine Premiere: Penelope ist Ihre allererste Ermittlerin.

Ich wollte schon lang einen Roman mit einer Hauptdarstellerin schreiben. Im ersten Band („La disciplina di Penelope“, er ist nicht ins Deutsche übersetzt worden, Anm.) war ich vorsichtig, erzählte in der dritten Person. Doch in „Groll“ wagte ich die Ich-Perspektive, schlüpfte in ihre Haut.

Wie war das?

Es war schwierig und interessant, ich habe viel dabei gelernt. Wie so oft habe ich beim Schreiben erst richtig begriffen, was ich eigentlich erzählen wollte: Penelope ist stark, sie meistert enorme Herausforderungen. Zugleich hat das Leben sie gebrochen. Diese Koexistenz von Stärke und Fragilität wollte ich beschreiben. Und Penelopes Verirrung. Außerdem gefiel mir die Idee einer Frau, die physisch stärker ist als Männer. Mir hat die Szene im Roman großen Spaß gemacht, in der Penelope bei einem Wettbewerb im Fitnessklub die dortigen Alphamänner übertrumpft.

Apropos: In Italien regiert erstmals eine Frau, die rechtsnationale Giorgia Meloni.

Allein die Tatsache, dass eine Frau regiert, ist ein großer Fortschritt. Leider stärkt Melonis Führungsposition paradoxerweise den Macho-Charakter ihrer Partei, der männlichsten aller Parteien Italiens: Meloni bleibt ein Alibi, hinter ihr dominieren weiter alte, patriarchalische Strukturen. Trotzdem. Man kann viel über sie sagen – außerordentliche Qualitäten hat sie allemal.

Welche?

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