Economist-Insider

Warum uns die Inflation traurig und wütend macht

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Die Inflation setzt den Menschen zu, auch jenen, die kaum davon betroffen sind.

             

Gerhard Hofer
stv. Chefredakteur

Gerhard Hofer
 

Guten Morgen,

sind Sie in jüngster Zeit auch etwas schlechter drauf als üblich? Leichter genervt, öfter niedergeschlagen? Da geht es Ihnen wie fast der Hälfte der Menschen in diesem Land. Und wissen Sie, was angeblich der Grund dafür ist? Es ist die hohe Inflation.

Schon vor einem Jahr förderte eine Umfrage der Statistik Austria zutage, dass die steigenden Preise unser Nervenkostüm über Gebühr strapazieren. Nur 53 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit ihrem Leben alles in allem zufrieden sind. Bevor die Preise regelrecht explodierten, fühlten sich noch 60 Prozent wohl in ihrer Haut.

Mittlerweile ist diese Inflations-Depression auch wissenschaftlich belegt. Stefanie Stantcheva ist Ökonomin und lehrt in Harvard. Sie hat zwei Studien durchgeführt. Das Ergebnis ist verblüffend: Steigende Preise machen Sorgen und zwar unabhängig davon, ob man persönlich auch tatsächlich betroffen ist.

Denn in der Praxis schafft Inflation nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Etwa jene, die aufgrund hoher Lohnerhöhungen keine Reallohnverluste hinnehmen müssen und gleichzeitig davon profitieren, dass sich ihr fix verzinster Kredit teilweise „weginflationiert“, wie es so schön heißt. Doch das glaubt kaum jemand: Vielmehr herrscht in den USA die Meinung vor, dass die Inflation es noch schwieriger macht, Schulden zurückzuzahlen.

Apropos gefühlte Ungerechtigkeit: Stantcheva, so berichtete jüngst die FAZ am Sonntag, hat herausgefunden, dass die Mehrzahl der Menschen der Meinung sind, dass eine Lohnerhöhung vor allem auf ihre persönliche Leistung zurückzuführen ist. Das stehe ihnen also ohnehin zu, Benja-Formel hin, Sozialpartner her.

Gleichzeitig glaubt ein Großteil der Befragten, dass steigende Preise immer einen Schuldigen haben. Je nach Weltanschauung ist es natürlich ein anderer. Liberale und Konservative meinen mehrheitlich, dass der Staat und die unfähigen Politiker die steigenden Preise verursachen. Jene, die ihr Wertezelt links der Mitte aufgeschlagen haben, sind hingegen eher der Überzeugung, dass die Unternehmen die hohen Preise „verschulden“.

Zum Glück sind die Österreicher dann doch etwas phlegmatischer in Sachen Teuerung als die Amis. In der Harvard-Studie gaben 87 Prozent der Befragten an, dass sie aufgrund der höheren Inflation häufiger gestresst, ja sogar wütend sind. Und diese Wut wird wohl auch bei den anstehenden Wahlen in den USA und bei uns eine Rolle spielen.

Ich wünsche Ihnen natürlich einen gelassenen und hoffnungsvollen Start in die neue Woche. Und sollten Sie dennoch etwas grantig in die Woche starten, dann wissen Sie wenigstens, warum.

Es grüßt Sie sehr herzlich,

Gerhard Hofer

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