Die Ich-Pleite

Man ist so jung, wie man sich fühlt, heißt es

Carolina Frank
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Boomer oder Z? Über den kleinen Unterschied zwischen den Generationen.

Ich fühle mich keinen Tag älter als meine 23-jährige Kollegin. Wir könnten ohne Weiteres eine WG gründen. Keine würde die andere stören, wenn sie im Morgengrauen mit Pupillen so groß wie Untertassen und einer Alkoholfahne von hier bis Zipf mit ein paar Jungs im Schlepptau in die Küche poltern, eine Pizza ins Rohr schieben und unseren Monatsvorrat an Vanilleeis auf einen Satz verschlingen würde. Denn bei unseren Lebensgewohnheiten ticken wir vollkommen gleich! Keine von uns würde sich mit Pizza und Zucker den Bauch vollschlagen. Sie, weil sie Zucker für den Tod in Raten hält, ich, weil mich seine Manifestation auf den Hüften stört.

Wir würden uns auch nicht sinnlos betrinken. Sie, weil ihre Leber 120 werden soll, ich, weil meine schon so alt ist. Genauso wenig, wie wir uns die Nächte um die Ohren schlagen würden. Sie, weil zu wenig Schlaf ungesund ist, ich, weil ich schon um 22.30 Uhr vom Sessel kippe und trotzdem nicht zu meinem gesunden Schlaf komme. Wir würden einträchtig am Frühstückstisch sitzen, Porridge mit Hafermilch essen und dazu Detox-Tea trinken.

Sie, weil sie sich täglich mit einem Kraftnahrungspaket hochrüstet, und ich wegen diverser Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Bei der Verwendung unserer Energie merkt man aber dann doch den Altersunterschied. Sie ist eine typische Vertreterin der Generation Z, während sie mich, fürchte ich, für eine Boomerin hält. Neulich habe ich mich entlarvt, weil ich mehr Gehalt wollte. Da schüttelte sie mitleidig den Kopf und sagte: Glücksstudien hätten er­­geben, dass eine Stunde mehr Schlaf einen genauso glücklich macht wie die Verdoppelung des Jahresgehalts von 30.000 auf 60.000 Euro. Jetzt bekomme ich Schlaftabletten als Bonus.

 (Die Presse Schaufenster, 5.4.2023)

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