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AfD-Rechtsaußen Höcke in erstem TV-Duell: Wurde er demaskiert oder salonfähig gemacht?

Tabubruch? Der extreme Björn Höcke (AfD) mit Mario Voigt (CDU) im TV-Duell
Tabubruch? Der extreme Björn Höcke (AfD) mit Mario Voigt (CDU) im TV-DuellImago / Martin Lengemann/welt/dts Nachrichtenagentur
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Der extreme und umstrittenste AfD-Politiker Björn Höcke wurde zum Duell mit CDU-Politiker Mario Voigt geladen. Das löst heftige Debatten aus: Die einen wollen die AfD „inhaltlich stellen“, die anderen befürchten eine Normalisierung von Extrempositionen.

Als gesichert rechtsextremistisch wertet der deutsche Landesverfassungsschutz den AfD-Politiker Björn Höcke. Am Donnerstag, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, wurde er vom TV-Sender Welt zu einem ersten TV-Duell geladen – mit CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt. Nach Meinung einiger Fachleute – und der CDU-Spitze – war es richtig, das Risiko eines öffentlichen Disputs mit Höcke einzugehen. Aber es gab auch Kritik, dass dem Rechtsaußen-Politiker deutschlandweit eine Plattform geboten wurde: Unter anderem SPD, Grüne und Linke warfen Voigt vor, er biete Rechtsextremisten damit eine Bühne und normalisiere deren Positionen und Hetze.

„Man sollte die Konfrontation mit der AfD suchen, sie stellen. Mehr davon - und nicht nur von der CDU“, so die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oliver Lembcke. Der Verlauf des Duells widerlege „all jene, die davor gewarnt hatten, Höcke dieses Podium zu bieten und ihn so salonfähig zu machen“, sagte der Politikwissenschaftler und Publizist Albrecht von Lucke. „Voigt hat den Beweis erbracht, dass man die AfD inhaltlich stellen kann.“

Der Christdemokrat Voigt hatte das Duell auch damit begründet, mit der bisherigen Vogel-Strauß-Politik sei die rechte AfD nicht aufzuhalten. Immerhin hat sie seit ihrem ersten Antritt bei einer Thüringer Landtagswahl kontinuierlich zugelegt: 2014 kam sie auf 10,6 Prozent, 2019 auf 23,4 Prozent, und nun ist die Höcke-Partei Umfrage-Spitzenreiter.

Streit über Europapolitik

Anlass des TV-Duells der beiden Spitzenkandidaten zur Thüringer Landtagswahl am 1. September war ein Streit über Europapolitik – und damit begann auch die Sendung, die von den „Welt“-Journalisten Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard moderiert wurde. Voigt und Höcke bekräftigten bekannte Positionen: Der CDU-Kandidat sagte, Höcke wolle, dass die Europäische Union sterbe und das „wäre eine Katastrophe für Deutschland“. Höcke wiederholte, Deutschland müsse raus aus der EU und es brauche einen „lockeren Bund europäischer Staaten“.

Beide warfen einander in dem mehr als 70 Minuten langen Schlagabtausch vor, Deutschland und der deutschen Wirtschaft zu schaden. So ging es weiter durch die Themen: Wirtschaftsstandort und Steuern, Migration, die Erinnerungskultur an Deutschlands NS-Vergangenheit bis hin zu Russlands Krieg gegen die Ukraine. Vieles war nicht neu, die Kontrahenten blieben bei ihrer Parteilinie. Beim klassischen AfD-Thema Migration fiel auf, dass CDU-Politiker Voigt vergleichsweise scharf formulierte: Er sagte, illegale Migration sei ein Riesenproblem, die Lösung sei: „Null illegale Migration in Deutschland“.

Höcke, Geschichtslehrer, will SA-Parole nicht kennen

Höcke blieb bei dem Thema hingegen vage. Den Begriff „Remigration“ verwendete er in einem bisher wenig gebrauchten Sinn: Es gehe um die Rückholung deutscher Auswanderer zurück ins Land. In der Regel meinen Rechtsextremisten mit „Remigration“, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Ins Schwimmen kam Höcke, als die Moderatoren ihn nach seinem Gebrauch der SA-Parole „Alles für Deutschland“ in einer Rede fragten. Er habe während der Rede nicht gewusst, dass „Alles für Deutschland“ eine SA-Parole sei, behauptete Höcke, der Geschichtslehrer ist. Wegen seiner Aussage muss Höcke auch vor Gericht (siehe weiter unten).

Teilweise gingen sich Voigt und Höcke persönlich hart an. So sagte der CDU-Politiker: „Wir werden keine neuen Unternehmensansiedlungen und auch keine neuen Fachkräfte gewinnen, wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt.“ Der AfD-Mann konterte, Voigt äußere sich „radikalpopulistisch“ und verstehe seine Argumente nicht.

Heißt es Gehacktesbrötchen oder Mettbrötchen?

Fast am verbissensten stritten die beiden Politiker um die korrekte Bezeichnung für eine Semmel mit rohem Hackfleisch – sinnbildlich ging es dabei um Heimatverbundenheit, denn Voigt ist Thüringer, während Höcke aus Nordrhein-Westfalen stammt. Es heiße Gehacktesbrötchen und nicht Mettbrötchen, belehrte der CDU-Mann seinen Kontrahenten. Höcke korrigierte sich. Tatsächlich wird gehacktes und gewürztes Schweinefleisch in Thüringen nicht als Mett bezeichnet, wie Voigt wusste.

Andererseits nannte Höcke Voigt immer wieder einen „Kollegen“ – sie sind Vorsitzende der beiden größten Oppositionsfraktionen im Thüringer Landtag, wo die rot-rot-grüne Koalition von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) in der Minderheit ist. Und als es am Ende um mögliche Koalitionsoptionen nach der Wahl ging, schien der Streit für Höcke sowieso keine Rolle mehr zu spielen: „Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt“, bot er Voigt eine Koalition an. „Wir machen eine bürgerlich-konservative-patriotische Wende in Thüringen.“ Voigt schloss das erneut aus und sagte: „Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär.“

Einige sehen Demaskierung Höckes

Die Reaktionen unter Fachleuten auf das Duell fielen unterschiedlich aus. Voigt habe gezeigt, „dass man die AfD nicht verbieten muss, um sie zu schwächen – weil diese ultima ratio nicht erforderlich ist und auch gefährlich wäre“, sagte Politikwissenschaftler von Lucke. Voigt, dessen CDU in Thüringen nach Umfragen mit 20 bis 21 Prozent deutlich hinter der AfD mit 29 bis 31 Prozent liegt, sei ein großes Risiko eingegangen.

Der Bochumer Professor Lembcke sieht Voigt trotz einiger Schwächen in der Argumentation als Punktsieger. Das Duell habe gezeigt, es sei richtig, in den Ring mit der AfD zu gehen. Punktuell habe er den Rechtsaußen demaskiert, bei zentralen Themen wie der Migrationspolitik sei er ins Schwitzen gekommen, habe sich die Maske aber wieder aufsetzen können. Voigts Manko sei gewesen, dass er die Machtfrage offen gelassen habe, wie er zu einer bürgerlichen Mehrheit kommen wolle.

Andere schätzen, Höcke hat profitiert

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz kritisierte, Wählerinnen und Wähler hätten von dem Duell für ihre Wahlentscheidung kaum profitiert, da es kaum um Landesthemen ging. Das Ziel, Höcke inhaltlich zu stellen, wurde seiner Einschätzung nach nicht erreicht. Profitiert hätten dennoch beide Kandidaten von dem TV-Duell. „Langfristig kann es für beide ein Erfolg gewesen sein, weil es die Wahl im September auf die Entscheidung Höcke oder Voigt zugespitzt hat“, sagte Brodocz.

Die CDU-Spitze zeigte sich zufrieden mit Voigts Auftritt. „Sein mutiger Kurs, die Rechtsextremen inhaltlich zu stellen, hat sich als goldrichtig erwiesen“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der „Rheinischen Post“. Linken-Chef Martin Schirdewan sagte hingegen: „So eine braun-schwarze Freakshow hat Thüringen nicht verdient, und es ist ein Fehler der Unionsführung aus Berlin, dies nicht im Vorfeld unterbunden zu haben.“

Voigt schließt weiteres Duell nicht aus

Kritik kam dagegen von den Linken. Es sei von vornherein klar gewesen, „Höcke wird dieses Podium nutzen für seine Phrasen, für seine Politik“, sagte die Bundestagsabgeordnete der Linken, Martina Renner, im RTL/ntv-„Frühstart“. Voigt sei es nur darum gegangen, seine Bekanntheit zu steigern.

Voigt selbst zeigte sich zufrieden. „Es ist offensichtlich geworden, dass es deutliche Unterschiede gibt zwischen einer CDU, die in der Mitte steht, und einer rechtsextremen Truppe um Björn Höcke“, sagte er am Freitag in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv. Er zeigte sich überzeugt, dass das TV-Duell mit AfD-Rechtsaußen Höcke Wähler beeinflusst habe, wenn auch nicht überzeugte Höcke-Fans. Der große Zuspruch zeige ihm zudem, „dass es richtig war, die Unterschiede offenzulegen“. Voigt schloss ein weiteres Duell mit Höcke nicht aus. Er werde keiner Debatte ausweichen, sagte er. „Wenn es dann dazu kommt, kein Problem.“ Höcke als Gast in mehreren TV-Duellen. Manche mögen das Normalisierung nennen.

Reporter wurde angegriffen

Vor dem Thüringer Landtag wurde unterdessen ein Reporter des TV-Senders Welt von einem Mann angegriffen: In einer Liveschaltung am Freitag war zu sehen, wie der Angreifer dem Journalisten Steffen Schwarzkopf zuerst gegen den Kopf schlug und ihm dann mit dem Finger gegen das Ohr schnalzte. Ein weiterer Mann ging dazwischen. Die Schaltung zum TV-Duell zwischen Höcke und Voigt wurde daraufhin abgebrochen. Polizei in Erfurt bestätigte den Vorfall und gab an, sie ermittle wegen des Verdachts auf Körperverletzung und Beleidigung gegen einen 42-jährigen Mann. (APA/dpa/Red.)

Mehrere Prozesse gegen Höcke

Wegen der Verwendung der verbotenen Parole „Alles für Deutschland“ muss Höcke auch vor Gericht. Das Landgericht im deutschen Halle hat für den Prozess Höcke eine weitere Anklage zugelassen. Eine Anklage der Staatsanwaltschaft Halle wegen Verwendung einer verbotenen nationalsozialistischen Parole wird in dem am Donnerstag beginnenden Hauptverfahren mitverhandelt, teilte das Landgericht am Freitag mit.

Im Dezember, als er die Rede hielt, lief gegen ihn bereits ein Strafverfahren wegen eines ähnlichen mutmaßlichen Vorfalls: Ende Mai 2021 soll er in Merseburg in Sachsen-Anhalt bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung am Ende seiner Rede „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ gesagt haben. Beide Anklagen werden nun in dem am Donnerstag beginnenden Prozess gebündelt.

In Thüringen kommt auf Höcke ein weiterer Prozess zu. Das Landgericht Mühlhausen ließ Ende Jänner eine Anklage wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den AfD-Politiker zu.

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