Nahost

Nach iranischem Angriff: Israel kündigt Vergeltungsschlag an

Raketenabwehr über Ashkelon
Raketenabwehr über AshkelonReuters / Amir Cohen
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Der Iran feuerte in der Nacht auf Sonntag mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel ab. 99 Prozent konnten abgefangen werden. Teheran droht mit Vergeltung, sollte es zu einem Gegenschlag kommen. Am Sonntagnachmittag bestätigte Benny Gantz, dass Israel auf den iranischen Angriff antworten werde. US-Präsident Joe Biden ließ bereits wissen, dass die USA sich nicht daran beteiligen werde.

Der Iran hat in der Nacht auf Sonntag erstmals Israel direkt angegriffen. Mehr als 300 Drohnen und Raketen seien auf Israel abgefeuert worden, teilte Armeesprecher Daniel Hagari am Sonntag in der Früh mit. 99 Prozent davon seien abgeschossen worden, sagte er: „Die iranische Bedrohung ist auf die israelische Überlegenheit in der Luft und im technologischen Bereich getroffen, in Kombination mit einer starken, kämpferischen Koalition, die gemeinsam den Großteil der Bedrohungen abgefangen hat.“

Hagari bezeichnete das Vorgehen des Iran als „sehr schwerwiegend“ und wies Vermutungen zurück, wonach Teheran keinen Schaden erzielen wollte. Der Einsatz ballistischer Raketen sei eine klare Eskalation gewesen, betonte er. Man habe einen „sehr bedeutsamen strategischen Erfolg“ erzielt. Nur wenige seien nach Israel vorgedrungen. „Sie schlugen im Bereich der Flugbasis Nevatim ein und verursachten nur leichten Schaden an der Infrastruktur.“ Von 170 unbemannten iranischen Flugkörpern seien „null auf das israelische Gebiet vorgedrungen. Dutzende seien von israelischen Kampfjets der Luftabwehr sowie „der Luftwaffe und Luftabwehr unserer Partner“ abgeschossen worden. Von mehr als 30 Marschflugkörpern sei keiner eingedrungen. Israels Luftraum wurde am Sonntagmorgen wieder geöffnet.

Wie reagiert Israel?

Mit Spannung wurde erwartet, wie Israel reagieren würde. Zu einer möglichen Reaktion sagte Hagari: „Wir prüfen die Situation und zeigen dem Kabinett die Pläne, wir sind bereit, zu unternehmen, was für die Verteidigung Israels notwendig ist.“ Außenminister Israel Katz sagte in einem Interview des Armeesenders: „Wir haben gesagt: Wenn der Iran Israel angreift, werden wir im Iran angreifen. Und dieses Bekenntnis ist immer noch gültig.“

Sonntagnachmittag stand fest: Israel will den Iran „zur Rechenschaft ziehen“. Israels Ex-Verteidigungsminister und Mitglied des Kriegskabinetts Benny Gantz kündigt eine Vergeltung für den iranischen Angriff an, lässt den Zeitpunkt aber offen. „Wir werden eine regionale Koalition bilden und den Iran zur Rechenschaft ziehen, zum richtigen Zeitpunkt und so, wie es für uns richtig ist“, teilt er mit. Details lässt er offen. Die USA werden Israel dann nicht zur Seite stehen. Das kündigte US-Präsident Joe Biden an. Für einen Vergeltungsschlag werden die USA nicht zur Verfügung stehen. Biden habe in dem Gespräch mit Netanjahu signalisiert, dass weitere Reaktionen nicht nötig seien. Der Sprecher für nationale Sicherheit im Weißen Haus, John Kirby, sagt im Sender ABC, die USA würden israelische Verteidigungsmaßnahmen weiter unterstützen, aber keinen Krieg mit dem Iran wollen. „Wir suchen keine eskalierenden Spannungen in der Region. Wir suchen keine Ausweitung des Konflikts“, sagt Kirby.

APA / Martin Hirsch

Das iranische Regime drohte mit Vergeltung, sollte es zu einem israelischen Militärschlag kommen. Man werde jeden israelischen Angriff auf iranische „Interessen, Vertreter oder Bürger“ vergelten, teilte der Kommandant der mächtigen Revolutionsgarden mit. Von der Armeeführung ist es, dass auf eine Vergeltung ein „größerer Schlag“ folgen werde als jener der vergangenen Nacht. Der Iran stellte den Angriff auf Israel als angemessene Reaktion für die Tötung von zwei iranischen Generälen bei einem Luftangriff auf die Botschaft Teherans in Syrien Anfang April dar. Damit könne „die Angelegenheit als abgeschlossen betrachtet werden“, betonte die iranische UNO-Vertretung in New York.

US-Unterstützung

US-Präsident Joe Biden teilte am späten Samstagabend (Ortszeit) mit, dass der iranische Angriff auch wegen der Beteiligung von Kampffliegern und Zerstörern der USA ein Misserfolg gewesen sei. „Wir haben Israel dabei geholfen, praktisch alle einfliegenden Drohnen und Raketen abzufangen“, betonte er. Aus US-Regierungskreisen war zuvor verlautet, dass die US-Streitkräfte „Dutzende“ iranische Geschoße aus der Luft geholt hätten. Die USA sind mit zahlreichen Stützpunkten in der Region präsent, unter anderem mit 2.400 Soldaten im westlichen Nachbarland des Iran, Irak. Im Vorfeld der Attacke hatte das US-Militär seine Präsenz in der Region noch verstärkt.

Biden äußerte sich nach einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu. Auch Verteidigungsminister Lloyd Austin telefonierte mit seinem Amtskollegen Gallant und betonte, dass das Land weiterhin auf „volle Unterstützung“ bei seiner Verteidigung gegen Angriffe durch den Iran und seine Verbündeten zählen könne. Gallant und Austin lobten in dem Gespräch die „außerordentlichen Verteidigungsmaßnahmen“ und die „starke Zusammenarbeit“ bei der Abwehr des iranischen Angriffs.

APA / Martin Hirsch

Luftangriffe auch aus dem Libanon

Zeitgleich mit dem iranischen Luftangriff auf Israel führten auch die Hisbollah-Miliz im Libanon sowie die Houthi-Rebellen im Jemen Angriffe gegen israelische Ziele. Die mit dem Iran verbündete Hisbollah feuerte innerhalb weniger Stunden zwei Raketensalven auf Israel ab, wie sie am Sonntag in der Früh mitteilte. Binnen weniger Stunden habe sie wiederholt „dutzende Raketen vom Typ Katjuscha“ auf drei israelische Militärstützpunkte auf den besetzten Golanhöhen abgefeuert.

Die auf maritime Sicherheit spezialisierte Firma Ambrey erklärte unterdessen, die Houthi-Rebellen hätten „in Abstimmung mit dem Iran“ Drohnen in Richtung Israel abgefeuert. Mögliche Ziele seien Häfen, teilte das Unternehmen mit. Es warnte vor „Kollateralschäden“ für die Schifffahrt. Im Kibbutz Snir im Norden Israels nahe der Grenze zum Libanon wurden in der Nacht die Alarmsirenen ausgelöst, wie die israelische Armee mitteilte.

Auch aus dem kurdischen Nordirak wurden Explosionen gemeldet. Augenzeugen und kurdischen Medien zufolge gingen in der Nacht zum Sonntag rund 20 Raketen in der Provinz Erbil nieder, wo unter anderem ein US-Konsulat und eine US-Militärbasis liegen. An dem Konsulat seien Warnsirenen zu hören gewesen. Der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurde auch in Syrien, das mit dem Iran verbündet ist, die Luftabwehr aktiviert.

International wurde der iranische Angriff scharf verurteilt, unter anderem von Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP). UNO-Generalsekretär António Guterres äußerte die Furcht vor einer katastrophalen Zuspitzung im Nahost-Konflikt. Auf Ersuchen Israels sollte der UNO-Sicherheitsrat am Sonntagnachmittag (16 Uhr Ortszeit, 22 Uhr MESZ) zu einer Sitzung zusammenkommen. (APA/red.)

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