Atomkraft

IAEA: AKW Saporischschja einem Atomunfall „gefährlich nahe“

Ein Drohnenteil, das am 7. April auf dem Gelände des AKW Saporischschja eingeschlagen ist.
Ein Drohnenteil, das am 7. April auf dem Gelände des AKW Saporischschja eingeschlagen ist.Reuters / Znpp Press Service
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IAEA-Chef Grossi ist besorgt über die Situation rund um das von Russland besetzte Atomkraftwerk - das größte Europas: „Diese rücksichtslosen Angriffe müssen sofort eingestellt werden.“ Seit 7. April habe es mehrere Drohnenangriffe gegeben.

Infolge der jüngsten Angriffe ist das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) einem Atomunfall „gefährlich nahe“. „Diese rücksichtslosen Angriffe müssen sofort eingestellt werden“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Montag auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Seit dem 7. April war die Anlage mehrfach von Drohnen angegriffen worden, wobei sich die Ukraine und Russland gegenseitig dafür verantwortlich machten.

Es handelt sich um die ersten direkten Angriffe auf das AKW seit November 2022. Zwei Jahre Krieg hätten die nukleare Sicherheit in dem Kernkraftwerk stark belastet, fügte Grossi hinzu. „Wir kommen einem Atomunfall gefährlich nahe.“ Obwohl alle sechs Reaktoren des Kraftwerks abgeschaltet sind, „bleiben die potenziellen Gefahren eines großen Atomunfalls sehr real“, ergänzte der IAEA-Chef.

Die Angriffe erhöhten „das Risiko im Kernkraftwerk Saporischschja, wo die nukleare Sicherheit bereits gefährdet ist, erheblich“, sagte Grossi. Die IAEA setzt Beobachter in der Anlage ein. Das AKW Saporischschja ist seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren von der russischen Armee besetzt. Wiederkehrende Zwischenfälle rund um die Anlage haben die Sorgen vor einem schweren Atomunfall verstärkt.

Eine Kernschmelze hätte massive Auswirkungen auf Osteuropa

Eine infolge von Kriegshandlungen mögliche Kernschmelze hätte laut Experten wahrscheinlich massive Auswirkungen auf größere Teile der Ukraine und könnte auch weitere osteuropäische Staaten tangieren. Die Folgen eines Unfalls auf Österreich werden als geringer eingeschätzt.

Sollte zumindest einer der sechs Reaktoren des 2022 von russischen Truppen besetzten Kernkraftwerks Saporischschja 20 Prozent seines radioaktiven Cäsium-137 in die Umgebung abgeben, müsste angesichts einer Verstrahlung von 1.480 Kilobecquerel pro Quadratmeter das Umland des Kraftwerks in einem größeren Radius wahrscheinlich zu einer Sperrzone erklärt werden, hatte der Leiter des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften der BOKU, Nikolaus Müllner, im vergangenen Jahr bei einer Pressekonferenz gesagt.

„Diese Sperrzone würde sehr wahrscheinlich auf die Ukraine beschränkt sein. Aber es könnte mit einer Wahrscheinlichkeit zwischen ein und drei Promille auch Wetterlagen geben, die auch zu einer solchen Kontamination in anderen Ländern führen könnten“, sagte der österreichische Physiker.

„Russland wäre dann mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen“

Zehn Mal schwächere Verstrahlungen mit Cäsium-137, die jedoch Auswirkungen auf die Landwirtschaft hätten und zu einer Verstrahlung von Wildtier und Pilzen führen würden, sind laut Müllners Modellberechnung in einer sehr viel größeren Region und auch außerhalb der Ukraine deutlich wahrscheinlicher. „Russland wäre dann mit hoher Wahrscheinlichkeit betroffen, auch die Republik Moldau, mit drei Prozent Wahrscheinlichkeit auch ein kleiner Teil Polens, mit ein Prozent Wahrscheinlichkeit die Slowakei, Rumänien, Ungarn und die Tschechische Republik“, erläuterte der Wissenschafter. In Österreich liege die wetterbedingte Wahrscheinlichkeit für eine derartige Verstrahlung bei 0,04 Prozent, sagte er.

Bei seinen Erwägungen mit Hilfe von Wetterdaten von 1999 bis 2009 ging der Physiker dabei aus, dass eine Beschädigung des Kernkraftwerks als Kollateralschaden von Kampfhandlungen eine wahrscheinlichere Variante wäre. Eine bewusste Zerstörung, etwa durch Raketenbeschuss, wurde als Szenario nicht berücksichtigt. Diese militärische Risikoeinschätzung sei vom ABC Abwehrzentrum des österreichischen Bundesheers vorgenommen worden. „Sie gehen davon aus, dass die Zerstörung eines Kernkraftwerks für keine der Kriegsparteien von Nutzen ist“, sagte er. Die Annahme eines Austritts von 20 Prozent des radioaktiven Cäsium-137 aus einem Reaktor entspreche einem konventionellen, größeren Unfall im Normalbetrieb. (APA/AFP)

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