Nahost

Israel hat sich bei Angriff auf Iran-Konsulat in Syrien offenbar massiv verschätzt

Iraner nehmen an einer Kundgebung zum Quds-Tag und zur Beerdigung vder Mitglieder der Islamischen Revolutionsgarden in Teheran teil.
Iraner nehmen an einer Kundgebung zum Quds-Tag und zur Beerdigung vder Mitglieder der Islamischen Revolutionsgarden in Teheran teil.Reuters / Majid Asgaripour
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Wie die „New York Times“ berichtet, ging Israel nicht von einem massiven Gegenschlag des Iran aus. Die USA dürften vom israelischen Angriff auf Damaskus überhaupt recht spät erfahren haben.

Israel hat sich mit seinem Raketenangriff auf ein Konsulatsgebäude des Iran in der syrischen Hauptstadt Damaskus offenbar ordentlich verrechnet. Das berichten die „New York Times“ am Donnerstag. Dass der Iran gar einen derartigen direkten Raketen- und Drohnenangriff starten könnte, war zum Zeitpunkt des israelischen Angriffs in Syrien offenbar nicht in den Köpfen der israelischen Befehlshaber.

Die „New York Times“ haben mit einem hochrangigen US-Vertreter gesprochen. US-Beamte bekundeten demnach offiziell ihre Unterstützung für Israel, äußerten aber insgeheim ihre Verärgerung darüber, dass Israel ohne Rücksprache mit Washington so aggressiv gegen den Iran vorgehen würde. Israel sei dem Bericht zufolge nur wenige Augenblicke vom Luftangriff am 1. April entfernt gewesen, bei dem mehrere hochrangige iranische Kommandeure in der iranischen Botschaft in Syrien getötet wurden, als Israel den Vereinigten Staaten mitteilte, was passieren würde.

Der israelische Schlag in Syrien sei zwei Monate vorbereitet worden. Schon am 22. März habe das israelische Kriegskabinett den Angriff abgenickt. Aufzeichnungen darüber liegen der „New York Times vor“. Darin ist auch von möglichen iranischen Reaktionen zu lesen - keine der Einschätzungen habe die Heftigkeit der iranischen Reaktion vorhergesagt.

Ein Bild vom 3. April aus Damaskus, wo die mutmaßlich israelische Rakete ein iranisches Botschaftsgebäude getroffen hat.
Ein Bild vom 3. April aus Damaskus, wo die mutmaßlich israelische Rakete ein iranisches Botschaftsgebäude getroffen hat.Imago / Ammar Safarjalani

USA über iranischen Gegenangriff besser informiert als über Israels Angriff in Damaskus

Für die USA war die Abfolge der Ereignisse eine unangenehme Situation: Einerseits war man über eine wichtige Aktion eines engen Verbündeten im Unklaren gelassen worden, während der Iran, ein langjähriger Gegner, seine Absichten eines Gegenschlags weit im Voraus ankündigte.

Der Iran erklärte am Donnerstag erneut, die USA nach eigenen Angaben vor und nach dem Großangriff auf Israel informiert zu haben. „Wir haben den Amerikanern in klaren Botschaften mitgeteilt, dass die Entscheidung (...) das zionistische Regime zu bestrafen, endgültig und entschieden war“, sagte Außenminister Amirabdollahian laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA am Donnerstag in New York. In der Nacht auf Sonntag habe der Iran eine weitere Nachricht an die Vereinigten Staaten über diplomatische Kanäle geschickt, „und erwähnt, dass wir nicht nach einer Eskalation der Spannungen in der Region streben“, sagte der Minister weiter.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der US-Regierung, John Kirby, hatte Berichte über Warnungen des Iran am Montag zurückgewiesen. „Die Vereinigten Staaten haben weder vom Iran noch von irgendjemand anderem Nachrichten erhalten, die Aufschluss über einen bestimmten Zeitpunkt, bestimmte Ziele oder Waffentypen, die sie abfeuern würden, gaben“, sagte er.

USA orteten Gefahr für örtliche Streitkräfte

US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III hat sich Informationen von US-Medien zufolge bei einem Telefonat am 3. April direkt bei Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant über mangelnde Abstimmung beschwert. Austin soll sich darüber beklagt haben, dass der Angriff die US-Streitkräfte in der Region in Gefahr gebracht habe und dass aufgrund der fehlenden Warnung keine Zeit geblieben sei, ihre Verteidigung zu verstärken.

In der Nacht des Angriffs auf Damaskus, berief das iranische Außenministerium den Schweizer Botschafter in Teheran ein, um den USA zu übermitteln, wie zornig der Iran sei. Man wollte die Botschaft übermitteln, dass man die USA, Israels engster Verbündeter, in Verantwortung für den Anschlag auf das Konsulatsgebäude sehe. Die Schweiz vertritt im Iran Interessen der USA, beide Länder haben seit mehr als 44 Jahren keine diplomatischen Beziehungen mehr.

Erste offizielle Äußerung Israels

Die Toten des Angriffs auf das iranische Konsulat in Syrien sind nach Angaben der israelischen Armee vom Montag an „Terrorismus gegen Israel“ beteiligt gewesen. „Nach meinem Wissen waren diejenigen, die in Damaskus getötet wurden, Mitglieder der Al-Quds-Brigaden“, sagte Militärsprecher Daniel Hagari in Jerusalem auf eine Frage bei einer Pressekonferenz. „Das waren Leute, die sich am Terrorismus gegen den Staat Israel beteiligt haben“, fügte er hinzu.

Es handelt sich um die erste offizielle Äußerung zum Angriff in Damaskus am 1. April. „Unter diesen Terroristen befanden sich Hisbollah-Mitglieder und iranische Helfer. Dort war nicht ein einziger Diplomat, soweit ich weiß. Ich weiß von keinem Zivilisten, der bei dem Angriff getötet wurde“, fuhr Hagari fort.

16 Tote bei Treffer von Gebäude auf Konsulatsgelände

Bei dem Israel zugeschriebenen Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude in Damaskus waren Anfang April 16 Menschen getötet worden, darunter zwei Generäle der Al-Quds-Brigaden. Dabei handelt es sich um eine Einheit der iranischen Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig ist. Israel hatte nie eine Verantwortung für den Angriff bestätigt.

Der Iran hatte schließlich in der Nacht zu Sonntag seine Vergeltungsdrohungen wahrgemacht und nach israelischen Angaben mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert. Demnach wurden fast alle Geschosse mit Unterstützung von unter anderen den USA, Großbritannien und Jordanien abgewehrt. (Red./APA/AFP)

>> Der Artikel in der „New York Times“ (kostenpflichtig)

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