Unterwegs

Russland: Wenn Selbsthilfe und Mut bestraft werden

Der Damm, den die Bewohner von Iwanowka bei Orenburg selbst aufschütteten und so ihr Dorf retteten.
Der Damm, den die Bewohner von Iwanowka bei Orenburg selbst aufschütteten und so ihr Dorf retteten.Reuters / Residents Of Perovsky
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Auch das ist das Mütterchen Russland des Jahres 2024: Menschen in der Region Orenburg bewahren ihr Dorf vor einer gewaltigen Flut des Ural-Flusses und bekommen deswegen Ärger mit den Behörden.

Alexander Grysunow hatte Angst. Angst zu schlafen und dann alles zu verlieren. Sein Haus drohte, in den Fluten des Urals unterzugehen, der in diesem Frühling so hoch angestiegen war wie nie zuvor im Leben der Bewohner der Region Orenburg an der Grenze zu Kasachstan. Das Haus war Grysunows Leben, wie auch die Häuser seiner Nachbarn im Dorf Iwanowka deren Leben waren. Hübsche Neubauten am Rand der Großstadt Orenburg, saubere Straßen, viel Grün.

„Sollen wir das alles dem Wasser überlassen?“, fragten sie sich in Iwanowka, als die Nachricht der Stadtverwaltung kam, sie sollten ihre Häuser wegen der Flut verlassen. Der Ural hatte schon Orsk überschwemmt, Nowotroizk, er kam immer näher.

Alexander Grysunow und seine Freunde, etwa 200 Frauen und Männer des Dorfs, sagten sich: „Wir stellen uns der Katastrophe!“ Sie nahmen Schaufeln, organisierten Bagger und Traktoren, beschafften Tonnen von Lehm – und merkten, dass sie sich bestens selbst verwalten können, ohne laute „Putin, hilf!“-Rufe. Zwei Tage später stand der selbst gebaute Damm aus Tausenden Säcken voller Lehm. Das ganze Dorf half. Die einen bauten, die anderen kochten.

Nachts kontrollierten sie in Gruppen den Ural und ihr Werk. Es hatte gehalten und 150 Häuser vor der Flut gerettet. „Das waren wir selbst“, sagen sie in Iwanowka voller Staunen über sich. 

Ihre mutige Rettungsaktion hat allerdings ein Nachspiel: Ihnen droht tatsächlich eine Strafe wegen „Selbstverwaltung“. Der Damm sei nämlich nicht amtlich genehmigt worden, heißt es von den Behörden. Selbstverwaltung wird in Russland nicht so geschätzt.

aussenpolitik@diepresse.com

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