EU-Landwirtschaft

Saatgut-Abstimmung bringt „trojanisches Pferd“ in Bedrängnis

Der Entwurf der Saatgut-Verordnung der EU-Kommission wird vom EU-Parlament in wesentlichen Punkten kritisiert.
Der Entwurf der Saatgut-Verordnung der EU-Kommission wird vom EU-Parlament in wesentlichen Punkten kritisiert.(c) imago images/Future Image (Christoph Hardt via www.imago-images.de)
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Das EU-Parlament hat (vorerst) am Mittwoch einigen Bestimmung einer neuen Saatgut-Regelung einen Riegel vorgeschoben. Ein unveränderter Entwurf einer entsprechenden Verordnung der EU-Kommission hätte Patentschutz erleichtert und die Zahl der Fälle, in denen Lizenzgebühren zu bezahlen sind, vervielfacht.

Deutliches Votum gegen zentrale Punkte des Entwurfs einer Saatgut-Verordnung, die die EU-Kommission vorgeschlagen hat: Das EU-Parlament hat sich für das Recht der Bauern ausgesprochen, Saat- und Pflanzengut weitergeben zu dürfen. Der Verordnungsentwurf hätte dem einen Riegel vorgeschoben und damit auch das derzeit geltende österreichische Recht ausgehebelt.

Außerdem zielt der Entwurf der Verordnung darauf ab, dass das gentechnische Verfahren mit Crispr/Cas („Genschere“) nicht mehr den Beschränkung für gentechnisch verändertes Saatgut unterliegt. Seitens der Industrie wird als Grund ins Treffen geführt, dass auf diese Weise das Genom rascher geändert werden könne, um derart Pflanzen zu züchten, die widerstandsfähiger gegen Hitze und Trockenheit sind. Kritiker sehen dies allerdings skeptisch und argumentieren, dass nach Eingriffen mit der Genschere die Folgen nicht im vollen Umfang abschätzbar sind.

Keine Beschränkung für Saatgut-Händler

Die Parlamentarier haben diese Punkte abgelehnt - und sich auch dafür ausgesprochen, dass die Arbeit zum Erhalt der Vielfalt ohne weitere Beschränkung möglich ist. Dies gilt für Saatgut-Händler und -Vereine, die sich der Vielfalt annehmen; nicht aber für Bauern. „Das ist ein Manko und ein Missstand“, meint dazu Magdalena Prieler, Saatgut-Referentin beim Verein „Arche Noah“.

Das Parlament hat sich schließlich auch deutlich für mehr Transparenz und ein öffentliches Register eingesetzt, das offenlegt, wo ein Patentschutz besteht und wo nicht. Dies soll erleichtern, dass (beim Bestehen eines Patent-Schutzes für mehrere Hersteller) klar ist, bei wem eine Lizenz zur Nutzung zu beantragen ist.

Eric Gall, stellvertretender Direktor von IFOAM (die europäische Dachorganisation für Bio-Nahrung und Bio-Saatgut) meint: „Unser Ernährungssystem muss widerstandsfähig sein. Der Beschluss des Parlaments hat das Potential, genetische Vielfalt zu stärken und könnte ein erster Schritt sein sicherzustellen, dass Züchter und Bauern Zugang zu mehr Sortenvielfalt bekommen.“

In der Abstimmung haben sich 336 für die Position des Parlaments ausgesprochen, 238 dagegen – bei 41 Enthaltungen. Berichterstatter ist Martin Häusling, agrarpolitscher Sprecher der Grünen im Europäischem Parlament und Mitglied im Umweltausschuss. Die im Plenar-Saal anwesenden österreichischen Mandatare stimmten bis auf die NEOS mit „Nein“. Nach der Festlegung im Parlament ist nun der Rat der EU am Wort, also die Landwirtschaftsminister der EU-Mitglieder. Anschließend geht das Thema in den Trilog, wo der finale Text ausverhandelt wird. Beides ist erst nach den EU-Wahlen möglich, die neue Saatgut-Verordnung wird vermutlich 2025 vorliegen.

Aggressives „Jordan“-Virus

Insgesamt bewertet Arche Noah-Expertin Prieler die Festlegung des Parlaments als „positiv, allerdings ausgehend von einem Entwurf, den wir nur mit einem klaren „Nicht genügend“ beurteilen können. Unter anderem auch deshalb, weil der Verordnungsentwurf der Bio-Piraterie keinen Riegel vorschiebt“ oder weil es „bezüglich mehr Nachhaltigkeit nur leere Versprechen gibt. Da steckt nichts dahinter.“ Die vorgeschlagenen Tests seien „greenwashing“ – unter anderem auch deshalb, weil in der Test-Anordnung auf die herkömmliche Landwirtschaft gesetzt werde – also auf den unverminderten Einsatz von Agrochemikalien. „Die Bedingungen werde nicht geändert. Letztlich bleibt der Bauer über.“

Ungelöst bleibt derzeit auch die Frage, wie mit Patentanträgen umgegangen wird, mit denen ein Patentschutz für Tomaten, denen mit der Genschere die Resistenz gegen das „Tomato Brown Rugose Fruit Virus“ („Jordan-Virus“) eingebaut wurde. Allerdings: Diese Resistenz kann auch durch Zufallsänderungen (Mutagenese) herbeigeführt werden. Eingereicht zum Patent sind nun „Jordan“-resistente Paradeiser, die sowohl durch Genschere als auch durch Mutagenese, also natürliche Züchtung verändert wurden. Die Organisation „No Patents on Seeds“ meint: „Die Zufallsmutagenese wird als ‚trojanisches Pferd‘ eingesetzt, um die Patentansprüche auf konventionell gezüchtete Tomaten auszuweiten.“ Die Erteilung eines Patents auf diese Tomaten ist durch das Votum des EU-Parlaments zumindest in Bedrängnis.

Zivilgesellschaftliche Organisationen haben unterdessen eine Petition (“Hoch die Gabeln“) ins Netz gestellt, mit der die EU und Mitgliedsstaaten aufgefordert werden, ein besseres Saatgutrecht zu formulieren. Die Petition ist bisher von mehr als 111.000 Personen unterstützt worden.

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