Globales Abkommen

Plastikabkommen: „Wir waren hier vor der Industrie“

Plastik, Plastik, Plastik überall. In Kanada wird über eine internationale Vereinbarung verhandelt. Indigene fordern Mitsprache.
Plastik, Plastik, Plastik überall. In Kanada wird über eine internationale Vereinbarung verhandelt. Indigene fordern Mitsprache.Foto: Clemens Fabry
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Indigene und wirtschaftlich schwache Länder leiden unter den Folgen der Plastikverschmutzung in besonderem Maß. Nun pochen sie darauf, in die Verhandlungen eingebunden zu werden.

Nicht ohne Optimismus im Gepäck ist Inger Andersen, Exekutiv-Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), nach Ottawa gekommen. Dort ist am Dienstag die vierte Verhandlungsrunde für ein global gültiges und verbindliches Plastikabkommen an den Start gegangen.

Den Beginn hat Andersen mit einem längeren Statement eingeläutet; darin hat sie erklärt, dass das „Instrument“ eines mit Zähnen sein müsse, sodass weniger Rohstoffe für die Plastikproduktion eingesetzt werden und dass es weniger problematisches Plastik geben dürfe. Als „Instrument“ wird der Entwurf eines Papiers bezeichnet, mit dem festgelegt wird, den Anfall von Plastikmüll (Hunderte Millionen Tonnen) drastisch zu verringern. Die Entwürfe, die die Delegationen beschäftigen, heißen deshalb „Instrument“, weil es noch keine Einigung gibt, wie die Verbindlichkeit konkret verankert werden soll. Das von Andersen formulierte Ziel – weniger Rohstoffe, weniger gefährliche Kunststoffsorten – ist bei Weitem noch nicht Common Sense, und es ist schließlich unklar, welche Plastikarten als problematisch eingestuft werden.

„Sieben Generationen vorausdenken“

Dennoch macht Andersen eine Annäherung in der Produzentenverantwortung aus, die ausgeweitet werden soll. Ebenso glaubt sie, dass man sich bei neuen Finanzierungsmethoden annähert und auch in der Frage, wie das Abkommen umgesetzt werden kann. Auf den Verhandlungstischen ist das allerdings nicht konkret angekommen.

Konkret sind dagegen die Auswirkungen von Plastikverschmutzung und Plastikproduktion für die Menschen. First Nations leiden darunter in besonderem Maße. In einer Pressekonferenz am Donnerstag erklärte Janelle Nahmabin, gewähltes Mitglied des Rats der Aamjiwnaang First Nation (diese lebt in dem selbstständigen Gebiet am St.-Clair-Fluss in der kanadischen Provinz Ontario): „Wir möchten mit den Staatsregierungen zusammenarbeiten, um ein gesünderes Morgen zu schaffen.“ Sie verweist darauf, dass First Nations bei weitreichenden Entscheidungen versuchen, „sieben Generationen vorauszudenken“.

Viele der First Nations leben unter Umständen, die Ergebnis weit kurzfristigeren Denkens sind. In einem Bericht, der von Ipen (einer Dachorganisation von 600 zivilgesellschaftlichen Vereinigungen) verfasst worden ist, wird festgestellt, dass das Territorium indigener Völker zu Land und zu Wasser beeinträchtigt wird. Zudem bewirkt die Ausbeutung von Mineralien, Öl und Gas, dass viele Indigene erkranken.

Außerdem tickten in den arktischen Regionen die Uhren der Klimakrise schneller: Hier ist die Erhöhung der Durchschnittstemperatur in manchen Regionen viermal so hoch wie das globale Mittel. „Lebensmittelsicherheit, Umwelt und menschliche Gesundheit sind durch den Klimawandel und höher werdende Konzentrationen toxischer Chemikalien gefährdet. Die giftigen Substanzen reichern sich in Fischen, Wildtieren, aber auch in Menschen an“, so der Bericht.

In den Regionen, in denen First Nations zu Hause sind, konzentrierten sich 40 Prozent der petrochemischen Raffinerien, wodurch eine hohe Luftverschmutzung entsteht. Quer durch das „sogenannte Kanada“ (sic!) gebe es mehr als 600 indigene Gemeinden, die unter diesen Zuständen litten.

Janelle Nahmabin: „Indigene müssen aktiver Teil bei der Ausgestaltung des Plastikvertrags sein. Wir haben – wie jeder andere auch – ein Recht auf eine saubere Umwelt. Das Ergebnis der Verhandlungen muss die Verpflichtung beinhalten, dass niemand mehr gefährlichen Substanzen ausgesetzt sein wird. Wir waren hier vor der Industrie und vor Kanada.“

Die Hauptbetroffenen im Globalen Süden

In einer Studie, die der World Wide Fund for Nature (WWF) hat erstellen lassen, wird die Frage erörtert, wer die Folgen der Plastikverschmutzung zu bezahlen habe. Die Last liege zum überwiegenden Teil bei Ländern mit geringer wirtschaftlicher Kraft. Besonders stark sind die ärmsten Länder sowie die Small Island States, allesamt im Globalen Süden. Dies sei, so die Arbeit, auf drei strukturelle Ungleichheiten zurückzuführen.

Den hauptbetroffenen Ländern fehlt es an Kapazität, mit dem Plastikmüllproblem fertig zu werden, sodass dieser Müll nicht selten auf illegalen Deponien landet bzw. in Flammen aufgeht. Diese Staaten haben auch keinerlei Möglichkeit zu beeinflussen, welche Plastikprodukte erzeugt werden. Und schließlich bekommen diese Staaten keine Kompensation für die Schäden, die Plastikmüll erzeugt – weder von den Herstellern noch den Herstellerländern. Gleichzeitig verbrauchen die Bewohner und Bewohnerinnen des Globalen Südens (pro Kopf) lediglich ein Drittel so viel Plastik wie jene in den industrialisierten Staaten.

Durch den Niedergang der Umwelt werden Leben und Auskommen der Menschen beeinträchtigt, giftige Verschmutzung durch offenes Verbrennen hervorgerufen. Unsichere Arbeitsumstände und allgemeine Gesundheitsrisiken seien die Folge.

Die Konsequenzen von Plastikverschmutzung seien auch todbringend. Die Zahl der möglichen Opfer gehe bis zu einer Million. Die Studienautoren berufen sich dabei auf eine Untersuchung, die bereits 2019 veröffentlicht worden ist und die von Tearfund erstellt worden ist, einer christlichen Entwicklungsorganisation in Großbritannien.

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