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Kleine Gespräche mit Kaffeebecher

Fabry
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Small Talk? Mühsam! Es sei denn, man geht mit Themenbechern ins Meeting.

Wenn man vom Schicksal nicht in großzügigem Maße mit der Fertigkeit des Small Talkens ausgestattet wurde, kann bei sogenannten Get-Togethers schnell der dringende Wunsch des Get-Aways aufkommen.

Muss aber nicht so sein, glaube ich. Mir ist im Internet ein Foto eines Business-Meetings untergekommen, bei dem beim Buffet Kaffeepappbecher mit unterschiedlichen Aufdrucken gestapelt waren: Die Teilnehmer waren aufgefordert, sich einen Becher mit jenem der aufgedruckten Themen (Strategie usw.) auszusuchen, über das sie mit anderen am liebsten reden würden.

Alles, nur nicht das Wetter

Ich finde, das ist eine ausbaufähige Idee für Treffen und Feiern jeder Art. Mir hätte so ein vorgegebenes, unverfängliches Thema peinliche Momente erspart. Vor Jahren war ich in der US-Botschaft bei einem Empfang für Ex-Stipendiaten eingeladen, und als mich irgendjemand in ein Gespräch über meine Diss verwickeln wollte, ist mir ungünstigerweise genau in diesem Moment – es lag nicht am Alkohol – mein Diss-Thema komplett entfallen. (Später ist es mir zwar wieder eingefallen, fertig geschrieben habe ich die Diss trotzdem nicht.)

Noch besser wäre es also vielleicht, wenn man überhaupt das Wunsch-Gesprächsthema auf seinen Becher schreibt. Wer es sich leicht machen will, nimmt einen „Wetter“-Becher. Wer genau dieses fadeste aller Small-Talk-Themen vermeiden will, kann „Alles, nur bloß nicht das Wetter“ auf seinen Becher schreiben.

Menschen, die hitzigen Debatten nicht abgeneigt sind, könnten aktuell mit einem Becher mit „41-Stunden-Arbeitswoche“ herumstehen (und darauf hoffen, dass ein „32-Stunden-Woche“-Becher vorbeikommt). Mit einem „Geheimnisse aus der Vergangenheit des Gastgebers“-Becher werden neue Party-Bekanntschaften Schlange stehen (auch wenn man dann vielleicht zum letzten Mal eingeladen wurde). Wer sich lieber eremitisch durch den Abend schmuggeln will, schreibt „James Joyces’ Ulysses“ auf den Becher oder, sagen wir, „Die Entwicklung der chilenischen Küche im 19. Jahrhundert“. Damit wird man entweder garantiert in Ruhe gelassen, oder man findet, es wäre fast romantisch, ein Match, mit dem man wirklich stundenlang entspannt plaudern kann. In diesem Sinne: Auf ein tolles Treffen!

E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

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