Randerscheinung

Die besten großen Brüder

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Ungleichheiten zwischen Geschwistern sollte man übrigens nie auf die leichte Schulter nehmen, auch wenn niemand etwas dafür kann.

Ich habe also die Heizung wieder eingeschaltet. Dass die dann, obwohl sie den ganzen Winter über tadellos funktioniert hat, zu tropfen begann und Mitte April der Heizungsmensch kommen musste, ist eine andere Geschichte. Das Basilikum am Fensterbrett ist auch halb erfroren. Um das Basilikum kümmert sich ­übrigens nie jemand in diesem Zusammenhang, während die Obstbäume und der Wein eine fette Frostlobby haben. Der Jüngste musste ein paar Arztbesuche machen, weil er dauernd Ohrenentzündung hat. Er ist jetzt in einem Alter, in dem der eine Doktor „Mach auf das Mundi“ sagt – ein HNO, wie unschwer zu erraten. Während der Internist fragt: „Die Mama soll ­einmal kurz weghören: Rauchst du eigentlich?“ Das dauernde Ohrenweh kommt jedenfalls mindestens so sehr vom langen, weil verfrühten Allergieschnupfen wie von den kurzen Hosen auch bei Minusgraden.

Der Apfelbaum vor dem Küchenfenster, den wir vor drei Jahren gepflanzt haben, wächst genauso schnell wie der Jüngste. Der Baum hat mir noch vorletztes Jahr nur bis zum Kinn gereicht und ist jetzt drei Meter hoch. Drei Meter ist der Bub zwar noch nicht, dafür hat er größere Füße als ich, und auch insgesamt fehlt kaum mehr was. Was echt keine Kunst ist bei meiner Größe, aber mit 14 Jahren waren seine beiden Brüder noch nicht annähernd so groß. Was die beiden auch durchaus kritisch anmerken. „Ich habe jedes Mal nur mein Y-Chromosom beigesteuert“, bringe ich ­kleinlaut zu meiner Verteidigung vor. Ungleichheiten zwischen Geschwistern sollte man übrigens nie auf die leichte Schulter nehmen, auch wenn niemand etwas dafür kann. Die beiden sind die besten großen Brüder, die man sich überhaupt vorstellen kann. Vielleicht wächst der Jüngste ja ­deshalb so gut. 

(Die Presse Schaufenster, 26.4.2024)

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