Inseraten-Deals?

Ermittlungen wegen Korruption gegen Herbert Kickl und andere Top-Blaue

Nicht nur gegen Hofer, Strache und Kickl wird ermittelt (v.l.n.r.).
Nicht nur gegen Hofer, Strache und Kickl wird ermittelt (v.l.n.r.).Picturedesk / Michael Gruber
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Laut Akten, die der „Presse“ vorliegen, erteilte die Oberstaatsanwaltschaft der WKStA am 18. April eine Weisung, gegen mehrere ehemalige FPÖ-Regierungsmitglieder zu ermitteln. Es geht um die Frage, ob es Inserate im Gegenzug für wohlwollende Berichterstattung gab.

Abgesehen davon, dass weit und breit kein Koalitionspartner in Sicht ist, könnte es für Herbert Kickl und seine Freiheitlichen kaum besser laufen. Seit mittlerweile eineinhalb Jahren steht die FPÖ in den Umfragen auf Platz eins, erst diese Woche wurden die Blauen wieder bei rund 30 Prozent ausgewiesen – weit vor SPÖ und ÖVP. Selbst bei der unter Blauen ungeliebten EU-Wahl gehen Meinungsforscher von einem FPÖ-Sieg aus; und an der FPÖ-Führung in Umfragen vermochten auch diverse Affären nichts zu ändern. Nicht der steirische Finanzskandal, auch nicht Spionage-Fall um den mutmaßlichen Russen-Spion Egisto Ott, in dem der FPÖ von den Türkisen beispielsweise vorgeworfen wurde, ein „Einfallstor für Russland“ zu sein. Nun taucht eine neue Causa auf – und diesmal reicht sie bis an die oberste Spitze der Freiheitlichen.

Laut Akten, die der „Presse“ vorliegen, ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl, Nationalratspräsident Norbert Hofer und andere Top-Blaue. Verdächtigt wird auch Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache, die frühere Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, der steirische Landesparteichef, Mario Kunasek und ehemals ranghohe Mitarbeiter aus der Zeit der blauen Regierungsbeteiligung. Es geht um mutmaßliche Inseratenkorruption in der Zeit der türkis-blauen Regierung, die Vorwürfe weiten sich nun auch auf die FPÖ aus. Der Verdacht lautet unter anderem: Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue. Auch der Chef der Mediengruppe „Österreich“, Wolfgang Fellner, wird deshalb als Verdächtiger geführt. Konkret ist die Rede vom Verdacht der „Vergabe von Inseraten bzw. Inseratenstopps an Wolfgang Fellner bzw. die Mediengruppe Österreich.“ Blaue Ministerien sollen in der Zeit von Jänner 2018 und Mai 2019 besonders viele Inserate in der Gratiszeitung „Österreich“ geschalten haben, um im Gegenzug positive Berichterstattung zu erhalten.

Anlass zu dieser Annahme gaben in den U-Ausschuss gelieferte Chats von Strache mit anderen Top-Blauen, die unlängst publik geworden sind – die „Presse“ berichtete darüber. In den Chats geht es mehrmals um Inserate: So schrieb Strache an Spitzenblaue, dass man dem Boulevardblatt „oe24“ die Anzeigen abdrehen müsse, weil es seinen Intimfeind Ewald Stadler zu einer Diskussionsrunde eingeladen habe. Und zwar „trotz Zusage“, das nicht zu tun. Dem Chef des Mediums, Wolfgang Fellner, sollte man also „klarmachen, dass wir ihn nicht mit Inseraten füttern, damit er (...) FPÖ-Hasser einlädt und gegen uns anschreibt“. Kurz darauf wurde die Sache offenbar mit dem Blatt ins Reine gebracht. Strache: „Bitte weiter (Anzeigen, Anm.) schalten, wir haben es geklärt.“ Strache rechtfertigte dies damals damit, dass die Rede von Parteiinseraten der FPÖ gewesen sei, nicht von Regierungsinseraten. Juristisch macht das einen gravierenden Unterschied.

Im Ermittlungsakt wird seitenweise vorgerechnet, wie sich die Inseratenausgaben unter den blauen Ministern entwickelt haben, der Auftrag für die Überprüfung der blauen Werbekosten kam von einer Staatsanwältin der WKStA. Dafür wurde vor allem die Gruppe der sogenannten Boulevardmedien untersucht, herangezogen wurden aus Datenmangel auch Erhebungen der FH Joanneum. Die Ermittler kommen zu dem Schluss, dass es in den blauen Ministerien „eine merkliche Bevorzugung der Mediengruppe Österreich“ gebe, kurz darauf wird „eine deutliche Unterdotierung“ der „Krone“ konstatiert. Sprich: Manche Medien hätten im Vergleich zu Fellners Blatt zu wenig bekommen.

Ermittlungen bestätigt

Jetzt gibt es dennoch ein Ermittlungsverfahren – und zwar nicht, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) das unbedingt wollte, sondern aufgrund der Oberstaatsanwaltschaft (OstA) Wien. In einem Erlass der OStA Wien vom 18. April 2024 ergeht eine Weisung, dass aufgrund „außerordentlicher Dringlichkeit“ – es drohe nämlich eine Verjährung – „sofort ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“ sei. In einer Stellungnahme bestätigte die WKStA am frühen Montagabend die Ermittlungen. Der „Presse“ wurde auch von einzelnen Verdächtigen die Ermittlungen bestätigt, sie wurden bereits per Post darüber informiert.

Zuvor wird am 12. April Wolfgang Fellner als „Angezeigter“ wegen des Verdachts der Bestechung in den Akt genommen. Fellner bestritt die Vorwürfe am Montag. Am 15. April wird festgehalten, dass die „Anfangsverdachtsprüfung“ noch nicht abgeschlossen sei. Drei Tage später jedoch ergeht der Erlass der OStA, der eine Weisung erteilt: Es ergeht die Weisung , vom Vorhaben einer Einstellung des Verfahrens „Abstand zu nehmen und im Umfang des berichtsgegenständlichen Sachverhalts sofort ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“.  

Eine Aufhebung der Immunität von Kickl und Hofer, die derzeit auch als FPÖ-Abgeordnete im Parlament sitzen, ist nach Ansicht der Staatsanwälte nicht nötig, da der mutmaßliche Tatzeitraum „offensichtlich in keinem Zusammenhang mit deren politischer Tätigkeit als Abgeordnete“ steht. Sprich: Weil es sich um Vorwürfe aus der Ministertätigkeit von Kickl & Co. geht, muss niemand vom Parlament ausgeliefert werden.

FPÖ ist „gelassen“

Und was sagt die FPÖ zu alldem? „Es handelt sich allem Anschein nach um das Wirken des „tiefen Staats‘ der ÖVP innerhalb der Justiz“, wird auf Anfrage in einer Stellungnahme erklärt. Aus den Akten ginge zudem hervor, dass die WKStA das Ermittlungsverfahren zurücklegen wollte. Und: „Generell wurden Werbeaufträge in Medien ausschließlich aus sachlichen Gründen vergeben“, es habe „keine Unregelmäßigkeiten“ gegeben. Daher sehe die FPÖ „dem Ermittlungsverfahren gelassen entgegen“, man sei „hundertprozentig davon überzeugt, dass es zu einer Einstellung kommen wird“.

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