Analyse

Chemiewaffen im Ukraine-Krieg: Worum es bei den Vorwürfen gegen Russland geht

Im Ukraine-Krieg dürften zumindest nicht tödliche Kampfstoffe schon zum Einsatz gekommen sein, namentlich starke Reizstoffe. Das Bild zeigt russische Schüler bei einer vorsoldatischen Ausbildung in Sewastopol auf der Krim in ABC-Schutzkleidung.
Im Ukraine-Krieg dürften zumindest nicht tödliche Kampfstoffe schon zum Einsatz gekommen sein, namentlich starke Reizstoffe. Das Bild zeigt russische Schüler bei einer vorsoldatischen Ausbildung in Sewastopol auf der Krim in ABC-Schutzkleidung.APA/AFP
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Die USA werfen Russland nun offen den Einsatz chemischer Kampfmittel in der Ukraine vor. Moskau dementiert. Ein Versuch einer Erklärung mit tieferem Hintergrund.

Washington/Moskau/Kiew. Nachdem die USA am Mittwoch Russland vorgeworfen haben, in der Ukraine chemische Waffen eingesetzt und damit den internationalen Vertrag zum Verbot chemischer Waffen (in Kraft seit 1997) gebrochen zu haben, gehen die Wogen der Besorgnis hoch. Immerhin wecken Andeutungen über Chemiewaffen vielfach Gedanken an Kriegszeiten wie etwa den Ersten Weltkrieg, als durch Kampfstoffeinsätze vieler (nicht aller) Kriegsparteien, etwa durch Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland, bis zu 1,3 Millionen Menschen starben oder (großteils) verletzt wurden; das dürfte etwa 100.000 bis 250.000 Zivilisten in und nahe den Kampfgebieten eingeschlossen haben.

Konkret sprach das US-Außenministerium jetzt von einem Kampfstoff namens Chlorpikrin sowie von Gasen zur „Riot Control“; letzterer Begriff bedeutet „Aufstandsbekämpfung“ oder „Tumultbekämpfung“, die damit verbundenen Stoffe sind in der Regel solche, die man im Deutschen ganz einfach unter „Tränengas“ versteht, die auch im polizeilichen Einsatz vorkommen können und die man als Privatperson auch zur Selbstverteidigung (Stichwort: Gaspistole) kaufen kann.

Die Russen hätten demnach die genannten Substanzen in Verletzung der Chemiewaffenkonvention (CWC) eingesetzt, und nicht nur in einzelnen Fällen. Es gehe dabei wohl darum, ukrainische Truppen aus ihren Stellungen zu vertreiben und damit taktische Erfolge auf dem Gefechtsfeld zu erleichtern. Bestimmte Schauplätze des Einsatzes werden in dem Dokument des US-Außenministeriums, das in Folge in diesem Zusammenhang auch noch Sanktionen gegen gewisse russische Einrichtungen, Firmen und Einzelpersonen verhängt, indes nicht genannt.

Soldaten der ukrainischen Nationalgarde bei der Ausbildung mit Gasmasken und Tränengas nahe Charkiw.
Soldaten der ukrainischen Nationalgarde bei der Ausbildung mit Gasmasken und Tränengas nahe Charkiw.Reuters

Russland wies am Donnerstag den Vorwurf der USA zurück. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte gegenüber Reportern, Moskau bleibe an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag über das Verbot chemischer Waffen gebunden. „Wie immer sind solche Ankündigungen absolut unbegründet. Russland ist und bleibt seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in diesem Bereich verpflichtet“, sagte Peskow.

Ein heftiger Reizstoff

Chlorpikrin ist zunächst einmal ein grundsätzlich flüssiger, leicht flüchtiger Reizstoff auf Chlorbasis, der Haut, Augen und Lungen schädigt und per se nicht besonders tödlich ist, auch wenn das zynisch klingen mag, doch dazu später. Er wird jedenfalls in der Verbotsliste der C-Waffen-Konvention bzw. der darauf aufbauenden Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) mit Sitz in Den Haag in den Niederlanden geführt.

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