Buch der Woche

Joyce Carol Oates macht Misogynie zum Thriller

Schreibt bisher mehr als 40 Romane: Joyce Carol Oates, geboren 1938 in Lockport, New York.
Schreibt bisher mehr als 40 Romane: Joyce Carol Oates, geboren 1938 in Lockport, New York. Anders Wiklund/TT/Imago
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Der Roman „Babysitter“ von Vielschreiberin Joyce Carol Oates ist gleichzeitig ein wilder Thriller und eine feinsinnige Studie über männliche Gewalt. Und ja, das ist möglich.

Er hat sie vergewaltigt. Der, den sie liebt, hat sie in einem Hotelzimmer betrunken gemacht (oder war da et­wa eine Droge im Spiel?), hat sie geschlagen und gewürgt und vergewaltigt, nun liegt sie zu Hause im Bett, hat kaum ein Auge zugetan, der Kopf pocht, die Wunden schmerzen, und ihr Ehemann will wissen, was passiert ist. Sie sei gestolpert, erklärt sie. Auf dem Weg zum Parkhaus die Treppen hinuntergefallen! Doch er glaubt ihr nicht, das kann nicht stimmen, also reißt er die Bettdecke zurück, schiebt das Nachthemd hoch und ihre schützenden Hände beiseite, er spreizt gewaltsam ihre Beine, damit er einen genaueren Blick werfen kann auf die Striemen, die Hämatome, das eingetrocknete Blut.

Gala-Diners und weiße Buicks

Die Welt, die Joyce Carol Oates beschreibt, ist gewalttätig. Sie ist grausam. Und für Frauen gefährlich, so oder so. Es ist die Welt der Sieb­zigerjahre, Oberschicht, ein Vorort von Detroit, und alles, was Frauen tun, ist falsch. Sogar wenn sie scheinbar alles richtig gemacht haben: Wenn sie so schön sind wie Hannah, sich so elegant kleiden wie Hannah, täglich ihr Haar bürsten, bis es seidig glänzt, wenn sie einen Buben zur Welt gebracht haben und ein (hübsches!) Mädchen, perfekte Gala-Diners planen und weiße Buicks fahren. Aber Hannah ist entweder zu besorgt oder zu sorglos, interessiert sich zu sehr für die beruflichen Angelegenheiten ihres Mannes (sie ist neugierig!) oder zu wenig (sie ist lieblos), sie verwöhnt die Kinder oder vernachlässigt sie, ist aufdringlich oder abweisend, und hält nie den Mund, wenn sie den Mund halten soll. Der weibliche Alltag ist ein Spießrutenlauf.

Ihr Selbstbild bekommt Risse

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