Auf Achse

Wenn ein Ort, den man liebt, in der Dunkelheit versinkt

Die propalästinensischen Studentenproteste an der Columbia Universität in New York eskalierten.
Die propalästinensischen Studentenproteste an der Columbia Universität in New York eskalierten.Reuters / Caitlin Ochs
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New York zieht dieser Tage das Chaos an – und damit ist nicht Donald Trumps Strafprozess gemeint. Die Studentenproteste an der Columbia haben die Stadtbewohner fassungslos gemacht. Und sie näher zusammenrücken lassen.

Manchmal spielt sich das Drama vor der eigenen Haustür ab. Als ich am Dienstagabend die wenigen Blocks hinab zum Campus der Columbia lief, wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Die U-Bahnstation vor den Toren der Uni war schon länger gesperrt, soweit nichts Neues; doch die von schwer bewaffneter Polizei abgeriegelte Straße zu sehen, verzerrte die Abendstimmung an der Upper West Side in etwas Surreales.

Es war zu erwarten gewesen, dass die propalästinensischen Demonstrationen hier irgendwann ausufern würden – die Studenten hatten sich an dem Tag in einem Gebäude verbarrikadiert, während die Unileitung immer zornigere Ultimaten stellte. Doch niemand weiß dann wirklich, wie so etwas ausgeht, nur: selten schön.

Auch an der Columbia nicht. Ich bin selber Absolventin, und was sich dort in den vergangenen Wochen abgespielt hatte, ließ mich nur den Kopf schütteln. Studenten, die nichts gegen islamistische Parolen haben, die sagen, sie wüssten, was richtig und was falsch sei, immerhin seien sie ja an einer Ivy-League-Institution eingeschrieben.

Sie wurden in der Nacht auf Mittwoch abgeführt, ihre Hände waren mit Kabelbindern ­zusammengeschnürt. Der Zugriff der New Yorker Polizei ähnelte einer Antiterror­razzia.

Zusehern war der Schock ins Gesicht geschrieben, und ich muss Ihnen gestehen, dass auch ich bemerkte, wie emotional mich die Vorgänge an dem Abend machten. Aus dem lichten Ort des Austauschs, an dem man debattiert und zelebriert hatte, wurde in dieser Nacht etwas Dunkleres.

Wenig später begann es, aus Strömen zu regnen. Ich lief einem meiner ehemaligen Professoren in die Arme, und da standen wir, fassungslos und triefend nass auf dem Bürgersteig. Wenn ein Ort, den man liebt, in der Dunkelheit versinkt, fehlen selbst den größten Rednern die Worte. (In der Tat: Ich traf auch auf einen Ex-Kommilitonen, der in unserem Kurs definitiv die größte Klappe gehabt hatte. Am Dienstag stand er einigermaßen sprachlos vor der Polizeiabsperrung.)

Andererseits sind es auch diese Momente, die die Stärke einer Universitätsgemeinschaft aufzeigen. Ich selbst – wie auch viele andere meiner Freunde von der Columbia – erlebten, wie sich das Alumni-Netz zusammenzog, um einander die Meinung zu sagen. Und Rückhalt zu geben.

In einer Sache sind sich nämlich alle sicher: Die Vorgänge der vergangenen Woche an unserer Alma Mater haben allen Seiten geschadet. Und den Spiegel vorgehalten. Die Hoffnung ist, dass aus der Krise etwas Stärkeres erwachsen kann. Und alle, hoffentlich, etwas dazugelernt haben.

Ich persönlich sah es deshalb als ein gutes Omen, als Ende dieser Woche in unserem Garten der Blauregen zu blühen begann. Und ein Pärchen Blauhäher einzog. Die Farbe der Columbia ist nämlich: Blau.

elisabeth.postl@diepresse.com

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