Die Ich-Pleite

Stimmenklonen ist auf jeden Fall eine Arbeitsersparnis

Carolina Frank
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Ein paar Tage nach der Innsbrucker Stichwahl hätte Otto Grünmandl seinen hundertsten Geburtstag gefeiert.

Man kann an den legendären Tiroler Kabarettisten nicht denken, ohne sofort seine haarsträubend umständlichen Überlegungen im Ohr zu haben. Dass „Schwarz“ in Tirol plötzlich ganz verschiedene Namen trägt, wäre für ihn bestimmt ein gefundenes Fressen. Genauer möchte ich mir die Akribie, mit der er dieser Frage zu Leibe gerückt wäre, lieber nicht vorstellen. Es ist sowieso un­­möglich, diesen Meister der uner­träglichen Ausreizung der Banalität zu imitieren. Schon am Original schieden sich die Geister wie bei kaum einem anderen Komiker. Manche fanden es einfach nicht lustig, wenn er auf ­Gerhard Polts Erkundigung nach dem werten Befinden und was so gehe eine Minute lang nur antwortete: „Nit viel . . . nit viel los.“

Je enthusiasmierter Polt einwarf: „Ja toll! Ja riesig!“, umso beharrlicher präzisierte Grünmandl „Eigentlich nix . . . Oder nix is’ eigentlich z’viel g’sagt.“ Seine Parodien auf den Tirol-Tourismus wie die Tragödie vom Kanarienvogel Hansi, der beim Bergsteigen einem Steinschlag zum Opfer fiel, oder die Erfindung der ­Felsenzackenschleifmaschine sind an grotesker Verstiegenheit längst von der Wirklichkeit eingeholt worden. Überrascht wäre er von der Realität aber wohl kaum. Schon das 175-Jahr-Jubiläum der Tiroler Freiheitskämpfe im Jahr 1984 brachte ihn auf die Idee, ein Tiroler Orwell-Jahr auszurufen. Immer dem bigotten Credo gemäß: „Es muss ja alles natürlich sein, von innen außa kemmen.“ Auch die Innsbrucker Stichwahl hätte ihn vielleicht zu einer seiner sehr wörtlichen Ana­lysen angeregt. Und womöglich hätte seine Stichwahlempfehlung in einem Messerverbot bei allen Wahlberechtigten gegipfelt. 

 (Die Presse Schaufenster, 3.5.2023)

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