Lokal-Kolorit

Lokalkritik im Frau Bernhard: Alles à la carte

Wohnzimmeratmosphäre und offene Küche
Wohnzimmeratmosphäre und offene KücheFrau Bernhard
  • Drucken

Zwangsmenü war gestern: In Frau Bernhards Wohnzimmer isst man flexibel.

„Ich habe dann gemerkt, dass ich auch selbst nicht mehr unbedingt so essen gehen will.“ Dorothee Bernhard hat sich vom Zwangsmenü – klingt hart, entspricht aber dem, was vielerorts Praxis ist – um 85 Euro verabschiedet und in ihrem wohnzimmerartigen Lokal Frau Bernhard in Wien Mariahilf auf à la carte umgestellt. Teilweise sei das Lokal im Herbst leer ge­­wesen, habe es keine einzige Reservierung gegeben, „bis auf die Vorweihnachtszeit, da waren wir immer voll“. Also habe man überlegt, was man ändern könne – an der Küche selbst wurde nicht gezweifelt. Radek Simecka, der einzige Mensch, der hier im winzigen, einsehbaren Kochverschlag steht (und dem man eine Vier-Tage-Woche zugesteht), kommt aus der Sternegastronomie; er ist Menüs einfach gewohnt gewesen.

Denkbar intim

Mittlerweile sind die wenigen Tische in diesem denkbar intimen, dunkel gestrichenen und eklektisch möblierten Lokal deutlich besser gebucht, wenn auch im Durchschnitt mit weniger Konsumation pro Kopf. (Slots zu vergeben widerspräche Bernhards Verständnis von Gastgeben.) Auf der Karte stehen sieben Gerichte ­(13 bis 24 Euro). Wer in Menülaune ist, bestellt alles von oben bis unten, gute Esser schaffen das; Frau Bernhard selbst empfiehlt das Durchkosten zu zweit oder dritt. Speckseidenwächserne Scheiben von gebeiztem Zander (Vorschläge aus der Leserschaft, wie man diese beglückende Textur besser beschreiben kann, werden dankend angenommen) bettet Radek Simecka auf eine nur in Ansätzen saure Tigermilch, also Ceviche-Marinade. Er verfremdet die noble Konsistenz des rohen Fischs somit nicht durch zu viel Säure.

Das Durchkosten der ganzen Karte ist leicht möglich.
Das Durchkosten der ganzen Karte ist leicht möglich.Frau Bernhard

Das Spargelgericht in Rapid-Farben plus Hollandaise-Gelb ist eine stimmige Melange aus bissfest gegarten Scheiben, einer Sauce von ideal-molliger Trägheit, Schnittlauch und einem Onsen-Ei (nach japanischer Idee bei 65 Grad gegart, es stammt nicht von einem Tier namens Onse – diese Belehrung nur, weil die Frage am Nachbartisch aufkam). Die Rasseblatt­salate mit Namen wie Castelfranco schlagen sich, weil zu kleinen Flecken zerrupft, unter ihrem Wert, die 14 Euro dafür sind vermutlich trotz fermentatös behandelter Gurke nicht mehrheitsfähig. Wer Taube mag, wird Simeckas Version mögen: pur mit Karottenpüree plus Münzen aus Mairüben, eine überraschend sinnliche Paarung.
Dorothee „Ich mache eigentlich alles auf“ Bernhard ist eine gute Wein-Gäste-Verkupplerin. Sie bringt einiges zum Tisch, das nicht nur gastfreundlich kalkuliert, sondern auch eine Notiz zwecks Bestückung der eigenen Sammlung wert ist.

Info

Frau Bernhard, Esterhazygasse 11, 1060 Wien, Tel.: 0676 958 40 63, Restaurant: Di–Fr ab 18 Uhr.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.