Verhaltensforschung.

Neue Technik erkennt die Affen an ihrem Gesicht

Über 180 Japanmakaken leben am Affenberg bei der Burg Landskron.
Über 180 Japanmakaken leben am Affenberg bei der Burg Landskron.Konstanze Meindl
  • Drucken

Beim Affenberg in Kärnten soll jedes Tier automatisch einzeln bestimmt werden. Bei der Entwicklung der App helfen künstliche Intelligenz und Drohnen mit Wärmebildern.

James Bond, Gisela, Augustin, Ferdinand, Magdalena und ihr Sohn Mikado. So heißen die Bewohner des Affenbergs in der Nähe von Villach in Sichtweite zur Burg Landskron. Das vier Hektar große Gelände ist nicht nur beliebtes Ausflugsziel, sondern eine Forschungsstelle der Uni Wien. Über 180 Japanmakaken leben im Gehege völlig naturnah. Diese nördlichste Art aller Affen ist durch ihre Herkunft aus Japans Bergen und Wäldern auch an österreichisches Klima mit Winter und Schnee angepasst.

Wie kennen die Forschenden die Tiere auseinander? In der Vogelkunde helfen Farbmarkierungen, um jedes Individuum zu kennzeichnen. „Bei uns trägt kein Tier eine Markierung, wir erkennen jeden an Gesicht und Körper“, sagt Lena Pflüger von der Uni Wien. Sie leitet die Forschungen am Affenberg und präsentierte das neueste Projekt mit der FH Kärnten, finanziert von der Forschungsfördergesellschaft FFG. Das Smart Monkey Lab vereint langjährige menschliche Expertise mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz (KI).

In Sichtweite zur Burg Landskron erstreckt sich das Areal über vier Hektar (eröffnet 1996).
In Sichtweite zur Burg Landskron erstreckt sich das Areal über vier Hektar (eröffnet 1996).Roy Hammer

Menschen brauchen recht lang

„Wenn neue Studierende zu uns kommen, dauert es einige Wochen, bis sie die Affen individuell erkennen“, erzählt Pflüger. Nur wenige Leute können alle 180 Makaken mit Namen und Gesicht zuordnen. Die kurzfristig hier Forschenden kennen 30 bis 50 Tiere individuell. Derzeit geht der Uni-Wien-Forscher Roy Hammer jeden Tag einmal durch das gesamte Areal und dokumentiert, welcher Affe sich wo aufhält und wie die Gruppendynamik ist.

Im Smart Monkey Lab soll der Vorgang automatisch möglich sein. Mit Drohnen, Sensoren und Videos hofft man auf eine digitale Gesichtserkennung der Makaken. „In der Verhaltensforschung ist es wesentlich, ein Fokustier zu beobachten“, sagt Gernot Paulus von der FH Kärnten. Sein Team spielt Videos in den Algorithmus ein, der trainiert wird, Gisela von Magdalena und James Bond von Augustin zu unterscheiden – in unterschiedlichen Blickwinkeln und Lichtverhältnissen.

Die KI identifiziert Mama Magdalena und Mikado mit hoher Genauigkeit: 88 bzw. 77 Prozent.
Die KI identifiziert Mama Magdalena und Mikado mit hoher Genauigkeit: 88 bzw. 77 Prozent.FH Kärnten

Die erfahrenen Mitarbeitenden der Uni Wien erstellen die Videos, die je nur ein Tier zeigen, sodass die künstliche Intelligenz für das Individuum ein Erkennungsprofil erstellen kann. So soll für wissenschaftliche Neuankömmlinge der Einstieg in die Datensammlung mit der digitalen Gesichtserkennung flott klappen. „Wir planen auch Citizen Science, also unsere Besucherinnen und Besucher in die Forschung zu integrieren“, sagt Lena Pflüger.

Das Publikum darf mitarbeiten

Dann könnten Touristen ein Tablet mit der Erkennungs-App in die Hand bekommen und die Forschung mit neuen Daten versorgen: Welcher Affe sitzt nahe bei wem, welches Weibchen führt eine Gruppe an, welches Jungtier traut sich von den anderen weg? „Die Japanmakaken sind zwar Gruppentiere, aber sie sind sehr intolerant gegenüber bestimmten Artgenossen. Die Information, wer mit wem ein Areal teilt, hilft uns, die Population besser zu verstehen“, so Pflüger. Ziel ist, die hier entwickelte Technik auch für Freilandforschung und Wildtierkameras zur Verfügung zu stellen, etwa für die Partner an den Universitäten in Kyoto (Japan) und New Mexico (USA), um den Naturschutz zu unterstützen.

Die Künstliche Intelligenz analysiert Körper und Gesicht, um das Tier zuzuordnen.
Die Künstliche Intelligenz analysiert Körper und Gesicht, um das Tier zuzuordnen.FH Kärnten

Die Expertise der FH Kärnten löst zudem eine Frage, die mit menschlichen Beobachtern bisher unbeantwortet blieb. Die Drohnen fliegen jetzt auch nachts über das Areal und messen mit Thermalbildern, wo die Affen schlafen. Auf den hohen Fichten und anderen Bäumen im Gehege liegen die Tiere einzeln im Geäst. „So erfahren wir erstmals, wie die Gruppendynamik in der Nacht aussieht“, sagt Gernot Paulus. Dem Team ist wichtig, dass die Tiere nicht gestört werden, was mit den leisen Drohnen gut funktioniert. „Wir sprechen uns auch mit der Adlerarena der Burg Landskron ab, damit wir die Greifvögel nicht beeinträchtigen, wenn unsere Fluggeräte in der Luft sind“, betont Paulus.

Die Abstammung der Affen

Weniger spektakulär, aber genauso wichtig ist die Erstellung einer Datenbank, die alle bisher gesammelten Ergebnisse vereint und leicht abrufbar macht. Immerhin gibt es am Affenberg seit Beginn Studentenarbeiten, Dissertationen und Forschungsprojekte aus aller Welt. „Mit dem neuen Datenmanagement kann man etwa Abstammungslinien visualisieren“, so Paulus. Pflüger fügt hinzu: „Wir wissen von jedem Tier, wann es von welcher Mutter geboren wurde und welche Geschwister es hat. Auch der medizinische Hintergrund, das Verhalten, der Charakter und der Genotyp sind gespeichert.“

Roy Hammer

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.