Lokal-Kolorit

Lokalkritik: Das Vive Vienna ist jetzt schon Bezirksgespräch

An der Decke: Pflanzen, Flechtwerklampen, Makramee.
An der Decke: Pflanzen, Flechtwerklampen, Makramee.Vive Vienna
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Vive Vienna statt Gösser Schlössl: Das dekorreiche Riesenlokal im 23. Bezirk bietet Diskussionsstoff zu Preisgestaltung, Interieur und Zielgruppe.

Ein Stift liegt hoffentlich bereit, wir spielen Bingo. Statt Zahlen tragen wir Gerichte ein, die Eckdaten dafür lauten wie folgt: Neueröffnung, Pflanzen und Flechtwerklampen von der Decke, „pulsierende Atmosphäre“ auf der Homepage, im Verbund mit einem Hotel, das Boutique als Vorsilben führt. Und los geht’s! Wer Beef Tatar, Ceviche, Burger und Steak in einer Reihe stehen hat, ist dem Sieg schon ganz nah. Fehlt nur noch die Burrata, ­meinen Sie? Knapp vorbei, „Buratta“ wäre der korrekte Eintrag gewesen.

Eh klar, Beef Tatar: Alte Bekannte auf der Speisekarte.
Eh klar, Beef Tatar: Alte Bekannte auf der Speisekarte.Vive Vienna

Der Anbau an die Ölzelt-Villa in Wien Mauer, die einst als Park Café geführt wurde, beherbergte in den letzten Jahren den Brandauer und das Gösser Schlössl. Mit dem Vive Vienna ist nun ein Riesenrestaurant eingezogen, das die große weite Welt an den Liesinger Stadtrand zu holen versucht. Das Interieur zitiert Mallorca-Style, alte Drogerien, Möbelschauräume und leere Nobelhotelrestaurants. Die Dekorateurin hat gut aufgepasst und das Revival des Makramee mitbekommen, geknüpfte weiße Matten bilden – Fischernetze waren gestern – einen zweiten ­Plafond. Der Gastgarten zur Geßlgasse hin dient als Provisorium, bis der eigentliche auf der Ölzeltpark-Seite fertig ist. 240 Gäste sollen dann allein draußen Platz ­finden.

Stilistisch ist das Vive Vienna gänzlich anders als sein Vorgänger.
Stilistisch ist das Vive Vienna gänzlich anders als sein Vorgänger.Vive Vienna

Die Investitionskosten für all das sollen wohl per Vorspeisen hereingeholt ­werden, anders sind die 26 Euro für die „Gambas al Ajillo“, vier (sic!) Garnelen in schwach gewürztem Knoblauchöl, nicht zu erklären. Die vier Scheibchen Baguette dazu sind von jener Sorte, die in französischen Bäckerlehrbüchern die Bildunterschrift „Pas comme ça!“ führen. Auch das Ceviche (24 Euro) mit rosa Grapefruit und Lauch ist eine eher traurige Angelegenheit, keine Spur von Würze oder Säure.

Eine Serviette gibt‘s auch

Die 4,50 für das Gedeck sind schriftlich mit einer Serviette (Zellstoff) begründet. Wie inhomogen die Preisgestaltung (oder wie groß die Unsicherheit ob der Zielgruppe?) ist, zeigen zwei Scheiben gekochtes Rindfleisch, mit Semmelkren überbacken und mit vorbildlich knusprigem Erdäpfelröster um ebenfalls 26 Euro, die Kaspressknödelsuppe um 7, die üppig dimensionierten Calamari in Backteig um 19 Euro oder der Espresso um 1,80. Die Kellner sind von der wohltuend professionellen Sorte, dass es glasweise keinen Wein aus den nahen Weingärten gibt, verwundert. Unter den Einwohnern Mauers sorgt die Neueröffnung jedenfalls für reichlich Gesprächsstoff, etwa in der Facebook-Gruppe „Wir wohnen im 23. Bezirk“: Die Wortspenden reichen von „Sehr schön geworden“ über „Wird’s nicht lang geben, leider“ bis zu „Ich werde es sicher auch mal besuchen und ein Gedeck probieren“.

Info

Vive Vienna, Geßlgasse 4a, 1230 Wien, Tel.: +43/(0)676 520 17 07, Restaurant: Di–Do: 11.30–21.30, Fr–Sa: 11.30–22, So: 11.30–21 Uhr.

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