Morgenglosse

Zu erwachsen für AfD und FPÖ

Von allen Partnern verlassen? AfD-Chefin Alice Weidel und FPÖ-Obmann Herbert Kickl.
Von allen Partnern verlassen? AfD-Chefin Alice Weidel und FPÖ-Obmann Herbert Kickl.APA/dpa/Carsten Koall
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Während Marine Le Pen und Giorgia Meloni in Europa am großen Rad drehen wollen, bleiben die deutschsprachigen Populisten lieber im völkischen Abseits.

Alle Mühen waren offensichtlich umsonst gewesen. Noch vor wenigen Wochen hatte Harald Vilimsky, Spitzenkandidat der FPÖ bei der Europawahl, im Interview mit der „Presse“ davon gesprochen, eine Versöhnung zwischen Marine Le Pen und Alice Weidel herbeiführen zu wollen, und den Konflikt zwischen der Grande Dame der französischen Rechtspopulisten und der Chefin der Alternative für Deutschland als ein medial aufgebauschtes semantisches Missverständnis abgetan. Was mit der französischen Empörung über die als harmlose „Remigration“ betitelten deutschen Ausbürgerungs- und Abschiebefantasien begonnen hatte, resultierte nun offenbar in einem Eklat zwischen den Franzosen und der AfD in der rechten ID-Fraktion im Europaparlament.

Angesichts des immer krasseren Kurses der deutschen Rechtsrechten ist der Bruch fast schon unvermeidlich gewesen. Le Pens Partei heißt schließlich Rassemblement National – und nicht Ressentiment National oder L’Alternative pour la France. Während die Französin den namensgebenden „Nationalen Zusammenschluss“ anstrebt und bei der Präsidentenwahl in drei Jahren Emmanuel Macron im Élysée-Palast ablösen will, ist Weidels Sturmtruppe auf Zertrümmerung der demokratischen Usancen und Vergiftung des politischen Klimas in der Bundesrepublik aus.

Allerdings deutet immer mehr darauf hin, dass die AfD – und mit ihr auch die FPÖ – die Zeichen der Zeit verkannt hat. In der EU ordnen sich gerade die Konstellationen neu. Nationalpopulisten, die seriös auftreten, leise sprechen, sich in der Europapolitik konstruktiv zeigen und zu inhaltlichen Kurskorrekturen bereit sind, haben noch nie so gute Chancen auf Mitsprache in den europäischen Institutionen gehabt wie vor dieser Europawahl. Le Pen weiß es, Italiens postfaschistische Premierministerin, Giorgia Meloni, weiß es, die Dänische Volkspartei und die Schwedendemokraten wissen es – nur die deutschsprachigen Populisten können offenbar von ihren völkischen Fieberträumen nicht lassen.

Ob der AfD und FPÖ bewusst ist, dass sie mit ihren brutalen Angriffen auf „Eliten“ und „Systemmedien“ im Speziellen und den menschlichen Anstand im Allgemeinen zwar im Inland kurzfristig reüssieren können, aber damit in Brüssel und Straßburg in der Schmuddelecke landen? Dass Le Pen und Meloni lieber in Europa am großen Rad drehen, anstatt sich zusammen mit den anderen Giftzwergen halblustige Reime über den „EU-Wahnsinn“ auszudenken? Und dass ihnen der fast schon operettenhafte Extremismus der Deutschen am Ende nützlich sein könnte, um sich als die respektable nationalkonservative Alternative zu Weidel, Kickl und Co. darzustellen?

E-Mails: michael.laczynski@diepresse.com

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