Reportage

Meinl-Reisinger: „Es ist kein weiter Weg von der FPÖ zu uns“

Wahlkampf extrem: Beate Meinl-Reisinger trotzte Wetter und Widerspruch in Schärding
Wahlkampf extrem: Beate Meinl-Reisinger trotzte Wetter und Widerspruch in SchärdingChristian Holzinger
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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger geht just dort auf Wahlkampftour, wo man wenig von Europawahlen und noch weniger von ihrer Partei hält. Warum sie das tut – und was ein Wirtshausabend im Innviertel über das Schicksalsjahr der Neos erzählt.

Der Abend ist noch jung, als Beate Meinl-Reisinger am Dienstag nach knapp drei Stunden Fahrt in Schärding aus dem Regionalexpress 1794 steigt, aber irgendwie deutet sich hier schon an: Ein Wohlfühlausflug wird das eher nicht.

Für die Jahreszeit ist es kalt, gerade hat es zu regnen begonnen, der Wind bläst einem entgegen; und weil am kleinen Schärdinger Bahnhof weit und breit kein Taxi in Sicht ist, fasst „die Chefin“, wie man sie im vierköpfigen Wahlkampftross gern nennt, einen Entschluss: „Gemma gleich zu Fuß.“ Gut 20 Minuten sind es zum Zielort, dem Stadtwirt in Schärding. Und wie auf der Zugfahrt hierher – Meinl-Reisinger besprach mit ihren Mitarbeitern Termine und Outfits für die nächste Pride-Parade, bereitete sich auf eine Folge ihres Podcasts vor, koordinierte Familienangelegenheiten und blätterte nebenbei noch im „Economist“ – wird auch beim Fußmarsch durch die Innviertler Gemeinde keine Zeit verschwendet: An einem Feldweg zückt sie ihr iPhone und dreht im Gehen ein kurzes Instagram-Video, auf dem sie ihren Fans sagt, dass sie gerade in Schärding angekommen sei und sich auf den heutigen Termin freue.

Dabei ist der Ort ein hartes Pflaster für ihre Partei. Die FPÖ ist hier traditionell stark, 2017 kamen die Blauen auf 32 Prozent, selbst bei der EU-Wahl nach dem Ibiza-Crash 2019 blieben sie stark. Die Neos hingegen bekamen in Schärding bei der EU-Wahl vor fünf Jahren exakt 76 Stimmen. Bis vor ein paar Wochen gab es nicht einmal eine pinke Ortsgruppe, gerade versucht man sich am Aufbau einer solchen. Die EU-Wahlbeteiligung in der Gemeinde mit rund 5000 Einwohnern lag 2019 nur bei 44 Prozent, also massiv unter dem Bundesschnitt. Kurzum: Hier scheint man sich kaum für Europawahlen und noch weniger für Meinl-Reisingers Partei zu interessieren. Warum also tut sich die Neos-Chefin das an, knapp 300 Kilometer von Wien entfernt?

„EU-Abrechnung mit Beate“

Der Politik sei die „Debattenfähigkeit abhandengekommen“, antwortet sie auf diese Frage. Ihre Zunft sei „ein aufgeregter Hühnerstall, der sich zu wenig um Inhalte kümmert“. Jeder bewege sich „nur noch in der eigenen Blase“, derweil „erodiert die Mitte“. Daher startete sie nun ihre „EU – einfach unnötig?“-Tour. Die Idee dahinter: Die Neos-Chefin klappert Orte ab, in denen entweder die Beteiligung an EU-Wahlen traditionell gering ist oder die Wahlerfolge der Freiheitlichen groß – oder eben beides der Fall ist, wie in Schärding. Nach Stopps in Lech, Telfs und am Wiener Viktor-Adler-Markt will die „glühende Europäerin“, wie sie sich nennt, auch hier in fremden Gefilden um Stimmen werben. Letzte Woche wurde deshalb via Postwurfsendung in Schärding und Umgebung zur „EU-Abrechnung mit Beate“ geladen.

Meinl-Reisinger steht nicht auf der EU-Wahlliste, steigt nun aber für die öffentlich stark auf sie als Person ausgerichtete Partei an vorderster Front in den EU-Wahlkampf ein. Denn es geht um viel in diesem Schicksalsjahr der Neos, an dessen Ende sich entscheidet, ob man nach elf Jahren Opposition erstmals im Bund regiert. Nach Rückschlägen – in Salzburg flog man aus Regierung und Landtag, in Kärnten versäumte man den Einzug – brauchen die Neos dringend einen Erfolg bei der EU-Wahl. In Umfragen zur Nationalratswahl liegt man recht stabil bei zehn Prozent, bei der EU-Wahl sogar deutlich darüber, und die grüne Schilling-Misere könnte noch Auftrieb bringen. Doch aus der grassierenden Unzufriedenheit vermochte die Oppositionspartei bisher wenig Kapital zu schlagen – obwohl man, der FPÖ nicht unähnlich, seit jeher auf „Anti-Establishment“ setzt. Daran will Meinl-Reisinger in Schärding arbeiten: „Dieser Fatalismus, dass der Kickl das eh schon gewonnen hat, geht mir auf die Nerven.“

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