Randerscheinung

Von Riesenschnecken und Wahlplakaten

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Ich habe mir da neulich also auf ­Netflix die Serie „Ripley“ angeschaut.

Das war interessant für mich, weil Bücher von Patricia Highsmith in meiner Jugend zum für mich leicht verfügbaren Lesefutter gehört haben. Schon damals habe ich mich beim High­smith-Lesen sehr unwohl gefühlt. Und ich habe trotzdem nicht damit aufgehört. Bei der Serie ist es mir genauso gegangen. Besonders in Er­­innerung ist mir übrigens eine High­smith-Kurzgeschichte geblieben, in der auf einer Insel Riesenschnecken leben (mehr verrate ich hier nicht).

Bei der Netflix-Serie jedenfalls, die in den 1960ern in Italien spielt, gelingt ein genialer Kniff. Sie ist in Schwarz-Weiß gedreht, und weil in Italien vieles (Straßen, Häuser, Hotels, Möblierung, Rom, Venedig etc.) immer noch genauso ausschaut wie damals, konnte man in den 2020ern eine moderne Serie ohne viel Aufwand (ein paar alte Anzüge angezogen, ein paar neue Autos weggestellt) einfach drehen, und es hat ausgeschaut wie vor knapp 70 Jahren. Daran habe ich denken müssen, als ich neulich in der Früh in die Redaktion gefahren bin. Weil die Wahlplakate, an die wir uns nun mindestens bis Herbst gewöhnen müssen, schauen auch genau gleich aus wie eh schon immer.

Die Kandidatinnen und Kandidaten ändern sich natürlich, aber der Style, die Fotos, der Blick, die unnatürliche Haltung (sie schauen alle aus, als müssten sie gerade Highsmith lesen) sind verwechselbar gleich. Auch die Sprüche sind völlig austauschbar. Und schrecklich platt und langweilig. Oder obszön und empörend. Wer also einen Film drehen will, der im Österreich der Vergangenheit spielt: Ein paar Filter drübergelegt und loslegen. Nur bitte mit dem Anfangen beeilen, weil irgendwann sind die Plakate dann erfahrungsgemäß plötzlich wieder weg. 

(Die Presse Schaufenster, 24.5.2024)

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