Starkoch bei der documenta

APA (epa)
  • Drucken

Ferran Adrià ist der erster seiner Zunft der sich auf der ehrwürdigen Kunstmesse präsentieren darf.

Als Ferran Adrià von documenta-Chef Roger Martin Buergel die Einladung zur diesjährigen Kunstschau in Kassel erhielt, war er zunächst freudig überrascht. Schon bald plagten den spanischen Meisterkoch allerdings Zweifel: "Was soll ich denn dort bloß präsentieren?", fragte sich der 45-Jährige. Schließlich ist er der erste seiner Zunft, der an diesem internationalen Kunstereignis teilnehmen wird.

Er habe an eine Performance gedacht oder an eine Installation, aber keine seiner Ideen überzeugten ihn. Ein Gespräch mit Buergel brachte dann die Lösung. Er riet ihm, einfach sich selbst treu zu bleiben.

Seitdem steht Adriàs Konzept. Verraten wird es allerdings erst wenige Tage vor Beginn der documenta (16. Juni bis 23. September). Sein Beitrag werde mit der Küche im engsten Sinne gar nichts zu tun haben, wird nun spekuliert. "Es wird etwas ganz einfaches und nahe Liegendes", ließ er in der Zeitung "El País" durchblicken. Eine große Herausforderung ist die documenta für den als kreativsten Koch der Welt geltenden Spanier allemal. Gerade dies hat Adrià auch gereizt. Experimentieren gehört schließlich zum Credo des Erfinders von Parmesan-Spaghetti und Schaumspeisen aus dem Siphon.

Nicht allen schmeckt indes die Teilnahme des Drei-Sterne-Meisters an der documenta. In der Kunstszene regte sich Protest. Ein Koch habe dort nichts verloren, so der Tenor. "Ich bin kein Picasso, aber was ist heutzutage schon Kunst?", entgegnete Adrià den Kritikern. Er selbst sieht sich auch nicht unbedingt als Künstler, wenngleich er das Menü seines Restaurants "El Bulli" in Roses an der Costa Brava durchaus als "künstlerische Ausdrucksform" versteht. "Die Kochkunst ist eine Sprache, mit der sich Harmonie, Kreativität, Freude, Schönheit, Poesie, Humor oder Magie ausdrücken lässt", heißt auch der erste von 23 Leitsätzen in Adriàs "Manifest" der modernen Küche.

Das 1962 eröffnete Restaurant gehörte damals einem deutschen Ehepaar und war eigentlich nicht viel mehr als eine Strandkneipe, die von Badegästen und Tauchern aufgesucht wurde. "El Bulli" heißt es deshalb, weil das Paar seine Bulldogge so nannte. Das Lokal befindet sich in einer Bucht unweit von Figueres, dem Geburtsort von Salvador Dalí, und ebenso surrealistisch wie dessen Werke muten auch viele von Adriàs Kreationen an. Neu in der Speisekarte ist dieses Jahr etwa die "gefrorene Parmesanluft mit Müsli".

Das Restaurant, dessen Küche eher an ein Chemielabor erinnert, ist auf Jahre ausgebucht: Es hat knapp 50 Plätze und ist immer nur abends von April bis Oktober geöffnet. Den Rest des Jahres experimentiert der "Alchimist" Adrià in seinem Küchenlabor in Barcelona an neuen Speisen. Sie sind so ungewöhnlich leicht, dass einige davon inzwischen auch in der Medizin zum Einsatz kommen, etwa bei der Ernährung von Krebspatienten.

Adrià hat einst als Tellerwäscher in einem Hotel nahe Barcelona angefangen. Heute zählt das US-Magazin "Time" den Autodidakten zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt, "El Bulli" ist gerade das zweite Jahr in Folge von einer Fachzeitschrift zum besten Restaurant des Planeten gewählt worden. Dennoch ist der Kochrevolutionär bescheiden geblieben: Ein Auto hat er nicht, mit seiner Frau lebt er in einer eher kleinen Wohnung in Barcelona. Geld motiviert ihn nicht, wohl aber Herausforderungen wie die documenta. "Ich muss mich für nichts entschuldigen", sagt er seine Kritikern.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.