Interview: „Die Schenkungssteuer löst keine Probleme“

(c) EPA (Horacio Villalobos)
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OECD-Generalsekretär Gurría sieht Österreich in einigen Bereichen hinterherhinken. Etwa in der Bildung.

Die Presse: Sie haben am Freitag Bundeskanzler Gusenbauer und Vizekanzler Molterer getroffen. Hat es eine Kopfwäsche gegeben?

Angel Gurriá: Es ist nicht so, dass wir der Regierung Vorträge halten. Wir stellen vielmehr Fragen. Wir analysieren und vergleichen Daten, die wir dann mit den Regierungsspitzen diskutieren. Wir zeigen auf, wie andere Länder vorgehen, was anderswo besser oder schlechter läuft.

Was machen andere OECD-Länder besser als Österreich?

Gurría: Es hat sich sehr viel in den Bereichen Arbeitsmarkt, Besteuerung von Arbeit und Kapital sowie im Pensionssystem getan. Österreich liegt in Summe sehr gut. Aber Österreich sollte sich nicht mit dem Durchschnitt messen, sondern mit den führenden Industriestaaten. Und da gibt es Anzeichen, dass Österreich in einigen Bereichen hinterherhinkt.

Wo hinkt Österreich hinterher?

Gurría: Im Bildungswesen zum Beispiel. Die Akademikerquote ist sehr niedrig (nur die Türkei liegt schlechter, Anm.) und schulische Integration von Zuwandererkindern verbesserungswürdig. Österreich gibt für die Bildung deutlich mehr aus als andere OECD-Staaten, bekommt dafür aber weniger Qualität. Das ist zwar keine Krise. Die Frage lautet: Kann es Österreich besser? Die Antwort ist: Ja. Ein weiteres Thema ist die Besteuerung. Die Steuerquote (Steuern und Sozialversicherung gemessen am BIP, Anm.) sinkt zwar, sie liegt aber immer noch bei 42 Prozent des BIP. Der OECD-Schnitt liegt bei 36 Prozent.

Im OECD-Bericht wird die hohe Besteuerung von Arbeit in Österreich kritisiert. Ein Befund, der nicht neu ist. Interessanter ist die Frage, wie man den Faktor Arbeit entlastet?

Gurría: Wenn man Spielraum schaffen will, muss man bei den Staatsausgaben beginnen. Etwa, in dem mittelfristig (etwa über vier Jahre, Anm.) fixe Ausgabenziele vereinbart werden. Damit ist sicher gestellt, dass in Zeiten guter Konjunktur auch Überschüsse anfallen. Hohe Steuern auf Arbeit behindern die Entstehung neuer Jobs. Darum müssen die Sozialversicherungsbeiträge für niedrige Einkommen sinken.

Das kostet Geld. Die Gewerkschaften zitieren genüsslich die OECD, die sich für höhere Grundsteuern und gegen die Abschaffung der Schenkungssteuer ausspricht. Also doch höhere Steuern?

Gurría: Grundsätzlich wird die Beibehaltung der Schenkungssteuer keine Probleme lösen. Das steht nicht im Zentrum der Debatte. Es geht aber um die Steuerstruktur. Österreich besteuert Vermögen relativ niedrig. Vor allem Grund und Boden. Und diese Werte wurden seit den 70er Jahren nicht mehr angepasst. Ebenso sollten die Steuern auf Alkohol, Mineralöl und Zigaretten erhöht werden, um im Gegenzug Arbeit zu entlasten.

Wie stark sollten diese Steuern denn angehoben werden?

Gurría: Das ist nicht unsere Aufgabe. Den Schritt muss die jeweilige Regierung setzen. Klar ist, dass gute Zeiten die Zeiten für Reformen sind. Also genau jetzt. Es geht um politische Führungskraft. In Phasen guter Konjunktur verhandelt man leichter. Österreich hat das mit seiner Pensionsreform gezeigt.

Die von der aktuellen Regierung zum Teil wieder zurückgenommen wurden...

Gurría: Die österreichische Pensionsreform fand weltweit Beachtung. Der staatliche Zuschuss zum Pensionssystem sollte zwischen 2005 und 2050 um einen Prozentpunkt sinken. Vor diesem Hintergrund ist die jetzt beschlossene Erleichterung der Frühpensionierung (die Abschläge wurden halbiert, Anm.) zu kritisieren. Es ist ein Weg in die falsche Richtung. Die Abschläge hätten eher angehoben werden müssen.

ZUR PERSON

Angel Gurría (57) ist seit Juni 2006 Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Der frühere Außen- und Finanzminister Mexikos sieht sich selbst als „Macher“. Die 1961 gegründete OECD umfasst 30 Mitgliedsländer und ist der „Club der Ersten Welt“. Ihre Aufgabe ist die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken, zudem dient sie als Quelle für exzellente Daten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2007)

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