Eliette von Karajan: „Ich komme bald zu dir“

(c) APA (Barbara Gindl)
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Eliette von Karajan über das Jubiläumsjahr ihres Mannes,ihren Streit mit Ioan Holender und die orchestralen Taufpaten ihrer Töchter.

Schlicht und schmucklos sieht das Haus von außen aus. Nichts lässt darauf schließen, dass hier, am Fuß des Untersberg, Familie Karajan wohnt. Selbst der Taxifahrer, der zuvor noch geprahlt hat, Frau Karajan sicher schon ein Dutzend Mal chauffiert zu haben, tut sich jetzt ein bisschen schwer, auf Anhieb das richtige Bauernhaus zu finden. Dabei gibt es nur geschätzte fünf Villen in der Herbert von Karajanstraße in Anif.

Das Gartentor steht offen, die Türglocke neben der schweren Holztür ist kaum hörbar. Eine der beiden Hausdamen im weißen Kittel öffnet die Tür, bittet in die helle Bauernstube im Erdgeschoß und um Verständnis, Frau Karajan brauche noch eine Weile. Stattdessen steht plötzlich eine junge Dame im Wohnzimmer. „Hallo, Arabel Karajan.“ Es ist die jüngere Tochter von Herbert und Eliette. Die Musikerin ist zu Besuch aus Sofia, wo sie mit ihrem Mann und ihrer vierjährigen Tochter lebt. „Zu Ostern komme ich immer nach Salzburg.“ Nach Salzburg, in das Haus, in dem sie aufgewachsen ist.

Dann steht auch ihre Mutter im Zimmer, begrüßt den Gast auf sehr herzliche Art, bietet Kaffee an. „Oder wollen Sie ein Glas Wein?“ In der Öffentlichkeit wirkt Eliette von Karajan, die Ehrenpräsidentin der Salzburger Osterfestspiele, stets ein wenig distanziert. „Wissen Sie, dieses Jahr bin ich vielleicht distanziert, wegen meinem Fuß“, sagt sie. Am ersten Jänner wurde sie am Knie operiert. Seit dem hinkt sie „ein bisserl“, wie sie sagt, kann nicht mehr lange ruhig sitzen und muss Medikamente nehmen.


Aber es stimmt, auch sonst sei ihr der Trubel um ihre Person in Salzburg eher unangenehm. Sie mag es nicht, wenn Fotografen ungefragt Fotos machen. Am liebsten hat sie es, wie ihr Manager Ewald Markl verrät, wenn man nur Bilder aus jüngeren Tagen von ihr abdruckt. Auch ihr genaues Alter (73 oder 74) verschweigt sie konsequent. „Die Paparazzi haben diesmal (am Eröffnungswochenende der Osterfestspiele) so getan, als wäre ich zum ersten Mal nach zwanzig Jahren wieder nach Salzburg gekommen. Und wissen Sie, ich habe so einen Respekt vor der Musik, wenn ich da vorher zu viel rede, dann kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich möchte gerne meine Ruhe haben.“ Eine Ausnahme mache sie allerdings für Menschen, die „ungefähr den gleichen Geschmack haben und die Musik kennen“. Mit denen würde sie sich gerne über das Gehörte und Gesehene austauschen. „Aber die Salon- und Jetset-Gesellschaft, die stört mich an solchen Tagen.“

Dabei hat man Herbert von Karajan, dem Mann den sie vor mittlerweile 50 Jahren im französischen Megève geheiratet hat, oft vorgeworfen, er habe das Jetset-Dirigat erfunden. „Bitte? Ich glaube, er hat nicht einmal gewusst, was Jetset bedeutet.“ Aber Eliette selbst beschreibt in ihrem soeben erschienen Buch „Mein Leben an seiner Seite“ (Ullstein Verlag), ihr gemeinsames Leben als „Leben in Hotels, aus Koffern, nur zwei, drei Tage am selben Ort“. Aber dabei sei es immer nur darum gegangen, möglichst schnell von einem Ort zum anderen zu kommen.

Sie spricht langsam, verfällt manchmal ins Englische, ihren französischen Akzent kann sie auch nach fünfzig Jahren nicht verleugnen. Wenn sie von ihrem Mann redet, wird sie zum verliebten Mädchen. „Ich habe ihn angehimmelt. Seine schönen blauen Augen haben mich getroffen, und ich war gefangen. Vergessen Sie nicht, ich war seine dritte Frau. Er war etwas älter und sehr geduldig mit mir.“ Geduldig vielleicht, aber auch verschlossen. Kritiken hätten sie nie miteinander beredet, sagt Eliette. Auch seinen Eintritt in die NSDAP 1934 habe man zu Hause nie thematisiert. „Wir haben nie darüber gesprochen, auch nicht mit meinen Kindern. Wichtig war nur seine Musik. Ein Nazi? Nein, das stand nie zur Frage.“ Damit gilt die Frage als beantwortet.


Die Feiern anlässlich des 100. Geburtstags ihres Mannes am 5.April seien bis jetzt „fabelhaft“ gewesen. „Aber einer hat sich noch gar nicht gemeldet. Das tut mir leid, weil ich ihn auch gerne dabei gehabt hätte. Ich meine, wir feiern den 100. Geburtstag, das passiert nicht jeden Tag.“ Wer das sei? „Das will ich nicht sagen. Aber er hat hier in Salzburg in den Sechzigerjahren seine Karriere begonnen, auf Einladung von Herbert. Das sind schon genug Hinweise.“

Besonders berührt hätten sie die Konzerte mit Anne-Sophie Mutter und Seiji Ozawa, beide Schüler Karajans. „Maestro Ozawa hat immer zum lieben Gott hinauf gezeigt, um zu sagen, er ist bei uns. Und er hatte fast Tränen in den Augen.“

Dass ihre beiden Töchter sehr prominente, musikalische Taufpaten bekommen haben, nämlich die Wiener (Isabel) und die Berliner (Arabel) Philharmoniker, sei die Idee ihres Mannes gewesen. „Ich hoffe, sie bekommen immer einen Sitzplatz, was mir in Wien nicht immer gelungen ist. Das können Sie auch schreiben“, sagt sie und meint den Streit zwischen ihr und Staatsoperndirektor Holender. Weil ihre Bitte um Opernkarten ausgeschlagen wurde, reagierte sie mit einem zornigen Brief, für den sie später belächelt wurde. Solche Kritik steckt Eliette selbstbewusst weg. Auf die Frage, was sie jenen entgegne, die meinen, sie würde nichts von Musik verstehen, sagt sie: „Lasst die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.“

Am Ende des Gesprächs steht Karajan auf und führt den Gast in den Garten, zeigt auf die ersten Frühlingsblumen und den Swimmingpool, in dem ihr Herbert seine Runden drehte, um seine Rückenschmerzen zu lindern.

Bei der Frage, was sie ihrem Mann gerne sagen würde, lacht sie laut und sagt: „Ich komme bald zu dir.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2008)

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