EU-Verkehrsrat gegen europaweit freie Fahrt für "Monstertrucks"

Wenn zwei benachbarte Staaten Gigaliner zulassen wollen, sollte es ihnen gestattet sein. Das sei aber die Ausnahme, sagte EU-Verkehrskommissar Kallas.

Der EU-Verkehrsrat hat europaweit grenzüberschreitende Monstertrucks abgelehnt. Die EU-Kommission hat am Donnerstag beim Rat in Luxemburg ihren Vorschlag zurückgezogen, weil sich bei der Debatte die Ablehnung abzeichnete. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) sprach von einem "großen Erfolg Österreichs", weil es gelungen sei, zahlreiche Staaten zu überzeugen.

Bures erklärte, die Sache sei erstmals vom Tisch. Österreich sei immer gegen die Gigaliner eingetreten, weil dies verkehrspolitischer Unsinn sei und damit die Verkehrs- und Klimapolitik Europas konterkariert würde.

Regierungen sollen selbst entscheiden

In der Debatte im Verkehrsrat hatte sich die Niederlage für die Kommission abgezeichnet. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, der Hauptbefürworter von Riesen-Lkw, trat ein Rückzuggefecht an. Kallas meinte, wenn die Öffentlichkeit der Meinung sei, dass größere Lkw oder Gigaliner eine Bedrohung darstellten, sollten die Politiker das auch nicht gestatten, dass diese Trucks fahren.

25 Meter lang, 60 Tonnen schwer. Die Ungetüme haben verschiedene Namen: Megatruck, Gigaliner, EuroCombi. Von ihren Befürwortern werden sie auch gerne "Ökoliner" genannt. von Martin Deutsch Allianz pro Schiene/Kraufmann

Auf den ersten Blick sieht das Gigaliner-Konzept auch umweltfreundlich aus. Man kann mit zwei dieser Fahrzeuge gleich viel Fracht transportieren, wie mit drei herkömmlichen Lkw. www.nomegatrucks.eu

Doch die Sache hat natürlich Haken: In Summe fallen die Kosten pro Tonnenkilometer um 20 Prozent. Wird der Straßentransport so viel billiger, würden laut einer Studie um 74 Prozent weniger Waren auf der Schiene transportiert. Die CO2-Emissionen würden pro Jahr um 200.000 Tonnen steigen, etwa 0,2 Prozent des jährlichen Kohlendioxidausstoßes in Österreich.

Zusätzlich zu höheren CO2-Emission würden auch Investitionen durch die öffentliche Hand notwendig werden. Vor allem Autobahnbrücken müssten verstärkt werden, um die zusätzliche Last auszuhalten, besagt eine weitere Studie. www.nomegatrucks.eu

Auch Autobahnparkplätze müssten vergrößert und zusätzliche Leitschienen gebaut werden. Insgesamt würde das laut der Studie Kosten von mindestens 5,4 Mrd. Euro verursachen. (c) AP (JOERG SARBACH)

Andere Studien besagen jedoch, dass der Investitionsbedarf nicht ganz so hoch ist. Demnach mache es keinen Unterschied, ob zwei 60-Tonner oder drei 40-Tonner über eine Brücke fahren, da sich die Last bei Gigalinern auch auf mehr Achsen verteile. (c) AP (JOERG SARBACH)

Und dann ist da natürlich das Thema Sicherheit. Während die Befürworter der Gigaliner betonen, dass es in Ländern, in denen die Lkw bereits fahren, keine Probleme gibt, warnen die Gegner. So sei das Überholen der 25 Meter langen Riesen wesentlich gefährlicher als bei herkömmlichen Lkw. Der Überholvorgang würde länger dauern, die Situation sei wesentlich unübersichtlicher. (c) AP (FRANK AUGSTEIN)

Das hohe Gewicht der Lkw würde bei Unfällen zu verheerenden Folgen führen. Auch die Leitplanken könnten einem Aufprall von Riesen-Lkw nicht standhalten. (c) Per Pettersson http://www.skogforsk.se/templates/sf_Normal____25128.aspx

Wegen der Länge der Lkw wird bei den Gigalinern eine sogenannte "Dolly" eingesetzt, auf die der Aufleger bzw. Anhänger angebracht wird. Die Achsen der Dolly sind lenkbar, dadurch sollen Kurvenfahrten optimiert werden.

Dennoch kommt es zu Problemen bei Kreuzungen und Kreisverkehren. Weil der Fahrer eine genaue "Ideallinie" einhalten muss, werden die Lkw extrem langsam um die Kurve "getragen". www.nomegatrucks.eu

Kommt der Gigaliner von der Ideallinie ab, fährt er über Gehsteigränder oder Fahrradstreifen, was andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. www.nomegatrucks.eu

In Deutschland finden Feldversuche mit überlangen Lastwagen statt. www.nomegatrucks.eu

Auch Dänemark und die Niederlande unternehmen Pilotversuche. Österreich lehnt Gigaliner ab. Tobias Fleischmann

Auf EU-Ebene befürworten vor allem die Skandinavier die Gigaliner – in Schweden und Finnland sind sie seit Jahren Realität auf den Straßen. (c) AP (FRANK AUGSTEIN)

Monster-Lkw sind aber kein rein europäisches Phänomen. In Australien sind sie unter dem Namen "Road Trains" bekannt. Im Überlandtransport stellen sie die Versorgung entlegener Regionen sicher. (c) Reuters (Tim Wimborne)

Da viele Gebiete im australischen Outback nicht an das Eisenbahnnetz angebunden sind, ist die Lieferung per Road Train eine wirtschaftliche Transportlösung. Die geringe Verkehrsdichte erlaubt außergewöhnliche Zuglängen - bis zu 50 Meter. Im Stadtgebiet ist der Betrieb allerdings nicht erlaubt. (c) Reuters (Will Burgess)

Auf nichtöffentlichen Straßen unterliegen Road Trains keiner Beschränkung hinsichtlich der maximalen Fahrzeuglänge. Im Schüttgut-Verkehr im Tagebau sind auch Fahrzeuglängen bis zu einer Länge von 100 Metern möglich. (c) Reuters (Tim Wimborne)

Die Regierungen und Parlamente der einzelnen EU-Staaten sollten selbst entscheiden. Dies wäre im Sinn der Subsidiarität und würde den Binnenmarkt nicht stören. Wenn zwei benachbarte Staaten das tun wollten und es auf diese Länder begrenzt bleibe, sollte es ihnen gestattet sein. Als Argument führte Kallas Schweden und Finnland an, wo Gigaliner seit Jahrzehnten fahren würden. "Wie kann ich erläutern, dass die jetzt plötzlich nicht mehr über die Grenze im hohen Norden fahren können, weil das nicht mehr gestattet ist. Das würde schon zu Problemen führen."

Das EU-Parlament hatte bereits Mitte April die grenzüberschreitende Zulassung der Monstertrucks deutlich abgelehnt. 606 Abgeordnete waren damals dagegen, nur 12 dafür.

(APA)