„Idle Moments“: Schwarze Scheiben

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Das Label Blue Note startet eine Vinyl-Offensive.

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Zu Beginn der Sechzigerjahre strebten drei Gitarristen aus drei Windrichtungen ins Rampenlicht, die das Erbe des Pioniers Charlie Christian antraten, der die Gitarre überhaupt erst zum Jazzinstrument gemacht hatte. Das waren Wes Montgomery aus Indianapolis, Kenny Burrell aus Detroit und Grant Green aus St. Louis. Der 1935 geborene Green, der schon mit 13 Jahren die Schule verließ, um fortan nur mehr Gitarre zu spielen, blieb am innigsten dem Blues verhaftet. Sein beseelter Sound war stets am Klang von Blasinstrumenten orientiert. Zu seinen frühen Idolen zählten Saxofon-Innovator Charlie Parker und Trompeter Miles Davis. Entdeckt wurde er von Saxofonist Lou Donaldson: Er brachte den Provinzler 1960 ins Büro von Blue-Note-Labelchef Alfred Lion in New York. Mit 25 Jahren gab Green sein Debüt bei Blue Note.
Zwischen 1960 und 1966 nahm er mehr Alben für dieses legendäre Label auf als alle anderen Kollegen. Zu seinen Sternstunden zählt das „Idle Moments“ (1963). Die Besetzung war traumhaft: Der damals noch als junger Wilder gehandelte Joe Henderson spielte das raue Saxofon; der famose Pianist Duke Pearson und der ebenfalls heute noch aktive Vibrafonist Bobby Hutcherson sorgten für die impressionistische Koloration der bluesigen Linien, die Green und Henderson vorgaben. Glanzstück ist der Opener „Idle Moments“. Dieses meditative Juwel, das den Widerspruch zwischen geistiger Regheit und körperlicher Trägheit anschaulich macht, zählt zu den schönsten musikalischen Momenten des an Highlights nicht gerade armen Labels. Sinniert Green hier über erlebte Enttäuschungen oder träumt er von zukünftigen Verheißungen? Man weiß es nicht. Jedes Mal hört es sich anders an. Mal glaubt man Reuevolles herauszuhören, dann wieder ein unbestimmtes Begehren. Greens Eigenkomposition „Jean De Fleur“ besticht mit flammendem Groove, das Cover des vom Modern Jazz Quartet berühmt gemachten „Django“ mit Nachdenklichkeit. Das wie das Titelstück von Duke Pearson komponierte „Nomad“ beeindruckt mit zengleicher Gelassenheit.

Qualitätsware. Das Album „Idle Moments“ ist nur eines von vielen Highlights der neuen Vinyl-Offensive von Blue Note. Don Was, seit 2012 Präsident von Blue Note, geht es nicht um audiophile Pressungen, sondern um Qualitätsware, die vor allem für junge Leute erschwinglich sein soll. Ebenfalls wieder erhältlich sind weitere Klassiker: „Blue Train“ von John Coltrane (1957), „Out To Lunch“ von Eric Dolphy (1964), „Song For My Father“ von Horace Silver (1965).

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