Was danebenging: Von Olivenölkännchen bis Wasserprivatisierung

Die Kommission griff in der vergangenen Legislaturperiode ein paar Mal daneben. Einige Vorschläge musste sie zurückziehen, andere lehnte das EU-Parlament ab.

Wien. Dass Wasser ein stark emotionalisiertes Thema ist, hätte Binnenmarktkommissar Michel Barnier sich eigentlich denken können. Doch die Neufassung der sogenannten „Konzessionsrichtlinie“, eines EU-Gesetzes zu öffentlichen Ausschreibungen, hatte bei den kommunalen Wasserversorgern im Spätwinter 2013 nicht völlig umsonst Befürchtungen ausgelöst: Sie erwarteten neue europäische Regeln zur Auftragsvergabe und damit eine „Zwangsprivatisierung“ von Wasser. Auch in der Bevölkerung war die Aufregung groß – insbesondere in Österreich und Deutschland. Nach einiger Zeit ruderte Barnier reumütig zurück und gestand ein, dass die Kommunikation zum Wasser-Thema „nicht perfekt“ gewesen sei, zu diesem juristisch komplexen Bereich aber auch zahlreiche Missverständnisse vorlägen.

Schließlich wurde die Wasserversorgung aus der Konzessionsrichtlinie ausgeklammert; Barnier bekräftigte, dass die Kommunen „völlig frei darin sind, ihren Bürgern das Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, wie sie das für richtig halten.“

Doch schon wenige Wochen später folgte das nächste Kommunikationsdesaster der Behörde: die mittlerweile berühmt gewordenen Olivenölkännchen. Der Vorschlag, offenes Olivenöl auf Restauranttischen zu verbieten, hatte für Empörung bei Konsumenten wie Politikern gesorgt. Die Kommission räumte schließlich ein, dass man sich bei den Beratungen mit den Mitgliedstaaten auf Expertenebene nicht ausreichend mit den nördlichen Ländern abgesprochen habe, und zog die Pläne zurück – mit einem erheblichen Imageschaden.

Ursprüngliches Ziel der Kommission war es gewesen, die Qualität von europäischem Olivenöl zu verbessern und so indirekt die Hersteller in den kriselnden Ländern im Süden Europas zu unterstützen. Kritiker wiesen aber darauf hin, dass durch ein Verbot der Kännchen lediglich die Interessen der Produzenten befriedigt worden wären.

Mit Saatgut zurück an den Start

Ein weiterer missglückter Vorstoß der Behörde war die Saatgutverordnung, die das EU-Parlament im Frühling 2014 mit großer Mehrheit von 650 zu 15 Stimmen kippte. Der Vorschlag der Kommission sei zu industrielastig gewesen und wäre auf Kosten der Sortenvielfalt gegangen, kritisierten die Parlamentarier; Bürokratie und Kosten wären auf die einzelnen Betriebe und bäuerlichen Saatgutzüchter abgewälzt worden.

Laut dem Entwurf sollten künftig seltene Saatgutsorten dem gleichen Zulassungsverfahren unterzogen werden wie Industriesorten, um weitergegeben werden zu dürfen. Bauern und Gärtnern, die selbst vermehrtes Saatgut ohne Sortenzulassung weitergeben, hätte mit der Verordnung ein Verwaltungsstrafverfahren gedroht. Nun aber muss die Kommission einen völlig neuen Entwurf vorlegen.

Schon etwas länger zurück liegt die eindeutige Ablehnung des Parlaments zum Anti-Piraterie-Abkommen Acta im Sommer 2012, das die Kommission mit den USA, Kanada, Japan, Mexiko, Marokko, Neuseeland, Singapur, Südkorea und der Schweiz ausgehandelt hatte. Es sollte Produktpiraterie verhindern und den Schutz geistigen Eigentums sowohl bei realen Gütern als auch im Internet sichern; Kritiker befürchteten aber eine Beschränkung der Freiheit im weltweiten Datennetz. (aga)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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