Originell anlegen: Wohnen im Hausboot

Water Homes. Schwimmende Zweitwohnsitze sind komfortabel, aber nicht immer mobil.

Nie mehr Rasenmähen oder Grundsteuer zahlen mögen gute Argumente sein, um auf ein Hausboot zu ziehen. Viel wahrscheinlicher aber ist es, dass man diese Entscheidung primär aus Liebe zum nassen Element trifft. In den Niederlanden, aber auch in Dänemark oder in den USA hat das Wohnen am Wasser nicht von ungefähr Tradition, ein Trend, der anhält. „Menschen suchen seit jeher die Nähe zum Wasser. Da ist es nur logisch, den nächsten Schritt, also den aufs Wasser, zu gehen“, bestätigt der Hausboot-Bewohner und Buchautor Torsten Moench und liefert wohl den Grund schlechthin, warum Hausboote ideale Zweitwohnsitze sind: „Dort ist jeder Tag ein Urlaubstag.“ Bevor es zu romantisch wird, gibt Moench aber zu bedenken, dass es eine „gewisse Affinität zu den Elementen und ungewohnten Geräuschen“ braucht.

Keine Seekrankheit

Nicht zu verhindern sind Bewegungen durch Wind, Strömungen oder vorbeifahrende Schiffe – wenn auch abhängig von der Größe, Art und dem Liegeplatz des Hausbootes. Das muss man mögen. Und wer schon beim Anblick eines vorbeifahrenden Schiffes seekrank wird, sollte seine Hausboot-Pläne besser über Bord werfen. Denn schaukeln tut es auf einem Hausboot ganz bestimmt.

Sogar das zweigeschoßige „Arche Aqua“ mit einer Wohnfläche von knapp 100 Quadratmetern „nimmt Bewegungen des Wassers und des Windes auf“, erklärt Noreen Knoppik von der Wilde Metallbau GmbH. Diese sächsische Firma realisiert unter der Marke Steeltec37 verschiedenste Floating Homes mit zwei Grundkonstanten: einem gewölbten Dach – im Fall des besagten Arche Aqua in auffälliger Segelform – und der Verwendung von Stahl als maßgeblichem Werkstoff. Die Kosten dafür belaufen sich auf 400.000 Euro aufwärts. „Durch die großen Glasflächen hat man immer die Verbundenheit zur Natur. Sieben Meter über dem Wasser auf dem Sonnendeck den Ausblick zu genießen, ist ein absolutes Feeling“, schwärmt Knoppik. Die frei tragende Konstruktion ermöglicht eine individuelle Gestaltung sämtlicher Räume. Auf große Fahrt lässt sich mit der Arche Aqua aber nicht gehen, denn sie ist durch zwei Dalbenschlösser fix mit der Steganlage verbunden, über die auch sämtliche Anschlüsse laufen. Das erspart Gedanken an Profanes wie Abwassertankentleerung und ermöglicht den Einzug modernster Haustechnik.

Keine Abstriche

Wer sein Hausboot zur Erholung an freien Tagen nutzen möchte, will eines ganz bestimmt nicht: auf Komfort und eine ansprechende Optik verzichten. Längst vorbei sind jene Tage, an denen Hausboote nur etwas für eine alternative Szene waren. Das neue hippe Hausboot-Publikum lässt sich gerne dort nieder, wo es unter seinesgleichen ist. Also etwa im boomenden Hamburger Stadtviertel Hammerbruck, auch „Hammerbrooklyn“ genannt. Dort baut die Floating Homes GmbH am Victoriakai-Ufer die erste geschlossene Hausboot-Siedlung Deutschlands. „Wir sprechen mit unseren D-Types designorientierte Leute an, die großzügiges Wohnen in lichtdurchfluteten Räumen suchen und das Wasser als ihr Element entdeckt haben“, beschreibt die für Marketing & Sales zuständige Tanja Kürten. Vier dieser insgesamt sieben D-Types stehen bereits, drei sind verkauft. Die Preise für das 22 mal sieben Meter große schwimmende Heim liegen zwischen 559.000 und 589.000 Euro, es gibt sie mit drei Grundrissen. Der Ausbau erfolgt auf Kundenwunsch, „man hat die Wahl zwischen verschiedenen hochwertigen Komponenten“, sagt Kürten und ergänzt, ganz Verkaufsprofi: „Man wohnt auf dem Wasser, aber in der Qualität, wie man es vom Land her kennt.“ Durch die geringe Brückendurchfahrtshöhe wäre die an sich träge D-Type im Fall eines Umzugs sogar „mobil“ – ein entsprechend motorisiertes Zugpferd vorausgesetzt. Bei dem 30-jährigen Pachtvertrag der D-Types am Victoriakai sollte dies jedoch nicht notwendig werden.

Keine große Kiste

Wer ein fahrbares Hausboot sucht und mit rund 40 Quadratmetern Wohnfläche plus einer 32 Quadratmeter großen Dachterrasse auskommt, könnte ein Auge auf die „KeyWest“ werfen. Dieses puristische Wohnboot ist ein Gemeinschaftsprojekt des Berliner Architekten Markus Bach und der Kiebitzberg Schiffswerft. „Sie ist eine Augenweide, keine große Kiste, die sich übers Wasser schiebt“, schwärmt Andreas Lewerken, Kiebitzberg-Geschäftsführer. Da individuell für den Kunden gebaut wird, können viele Komponenten (es sind rund 500!) individuell bestimmt werden. „Manche Dinge sind aber festgelegt, weil die KeyWest sonst untergehen würde“, scherzt Lewerken. Typische Designelemente wie etwa die Fensteranordnung werden nicht angetastet. Entscheidungen in Sachen Raumaufteilung, Heizung, Antrieb, Abwassertankgröße, Außenhaut in Holz oder Alu hängen nur von Bedürfnissen und Budget ab. Preislich geht es bei 180.000 Euro los, „der Fantasie der Kunden sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Lewerken. Die erste KeyWest liegt in der Nähe von Kiel und wird von einem Geschäftsmann als Zweitwohnsitz verwendet. „Design und Know-how der Werft haben ihn überzeugt“, so Lewerken. Trotz der ungefähr zwei Anfragen pro Woche meint er, dass der Markt etliche Jahre brauche, um ein neues Produkt aufzunehmen: „Leute im Bootsbereich haben viel Zeit. Sie unterhalten sich, gucken die Sache an. Der große Schwung kommt dann sieben Jahre nach der Markteinführung.“

Nicht ganz so viel Zeit ist notwendig, um für einen selbst abzuklären, ob ein schwimmendes Heim überhaupt eine Option ist. Ein Hausboot-Urlaub vor dem Kauf ist ratsam: „Das Gefühl für ein schwimmendes Haus muss man im Vorfeld erleben“, bestätigt Knoppik. Eines ist aber klar: Wer sich erst einmal an sein schwimmendes Heim gewöhnt hat, wird am geerdeten Erstwohnsitz bestimmt das sanfte (In-den-Schlaf-) Wiegen vermissen...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2014)

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