Tote Teenager: Israel übt Vergeltung im Gazastreifen

Kerzen wurden für die drei getöteten Teenager angezündet
Kerzen wurden für die drei getöteten Teenager angezündet(c) REUTERS (NIR ELIAS)
  • Drucken

Israel droht nach dem Leichenfund der vermissten Teenager der Hamas mit einer Großoffenisve. In der Nacht auf Dienstag wurden bereits 34 Ziele im Gazastreifen angegriffen.

Die seit mehr als drei Wochen im Westjordanland vermissten Teenager sind tot. Ihre Leichen seien unter einem Steinhaufen auf einem Feld in der Nähe von Hebron gefunden worden, berichtete das israelische Fernsehen am Montag.

Israel beschuldigt die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas, hinter ihrer Entführung zu stehen. Bei den Opfern handelt es sich um Talmudschüler im Alter von 16 und 19 Jahren. Gil-Ad Shaer, Naftali Fraenkel und Eyal Yifrah.

Die Jugendlichen seien offenbar schon kurz nach der Entführung erschossen worden, hieß es in dem Bericht des Fernsehens. Die Jagd nach den mutmaßlichen Entführern dauere noch an. Der Geheimdienst hat zwei Hamas-Mitglieder als Tatverdächtige genannt.

34 "Präzisionsschläge" im Gazastreifen

Unterdessen hat die israelische Luftwaffe laut Armeeangaben nach dem Beschuss mit palästinensischen Raketen in der Nacht auf Dienstag Angriffe gegen Ziele im Gazastreifen geflogen. Es seien "Präzisionsschläge" gegen 34 Ziele im Gazastreifen geführt worden, teilten die Streitkräfte am frühen Dienstagmorgen mit. Seit Sonntagabend sei Israel mit mehr als 18 Raketen beschossen worden.

Augenzeugen im Gazastreifen berichteten, überall seien Explosionen zu hören gewesen. Sicherheitsleute der radikalislamischen Hamas erklärten, es seien mehr als 25 Luftangriffe innerhalb von weniger zehn Minuten gewesen. Augenzeugen sprachen von Dutzenden von Explosionen.

Angriff auf Hamas und Islamischen Jihad

Ziele seien Militäreinrichtungen der Hamas und des Islamischen Jihad gewesen. Die Einrichtungen seien in Erwartung israelischer Luftangriffe bereits vorher evakuiert gewesen. Auch von der See habe die israelische Marine den nördlichen Gazastreifen beschossen.

Nach Angaben des medizinischen Dienstes im Gazastreifen wurden bei Chan Yunis vier Menschen verletzt. Einer wurde vermisst. Im Westjordanland sei in der Nähe eines Flüchtlingslagers ein Mensch von der israelischen Armee getötet worden, berichtete das Onlineportal "Ynet" unter Berufung auf palästinensische Angaben.

Israel droht mit harten Reaktionen

Israels Außenminister Avigdor Lieberman hat nach dem Mord an drei israelischen Jugendlichen eine große Militäroffensive im Gazastreifen gefordert. "Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken", sagte Lieberman nach Angaben der Nachrichtenseite "ynet" am Dienstag.

Die radikalislamische Hamas bleibe eine Terrororganisation. "Deshalb muss die Hamas mit einer gründlichen und entschlossenen Militäroperation daran gehindert werden, noch stärker zu werden", sagte Lieberman. Er sprach von einer Fortsetzung der Operation "Schutzschild" im Westjordanland im Jahre 2002

Die israelischen Luftschläge kamen nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter Vorsitz von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, bei der über eine Reaktion auf die Leichenfunde beraten wurde. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete unter Berufung auf einen hohen Beamten, das Sicherheitskabinett habe keine unmittelbare Entscheidung über harte Maßnahmen getroffen. Das Gremium werde am Dienstag nach der Beerdigung der drei Jugendlichen erneut zusammentreten, sagte der Beamte diesen Angaben zufolge.

Die Leichen wurden zweieinhalb Wochen nach ihrem Verschwinden unter einem Steinhaufen auf einem Feld nordwestlich von Hebron gefunden, wie die Armee bestätigte. Die Tat sorgte weltweit für Entsetzen.

Hamas bekennen sich nicht zur Entführung und Tötung

Präsident Mahmoud Abbas berief nach dem Fund der Leichen eine Dringlichkeitssitzung der Palästinenserführung für Dienstag ein. Dabei solle es um die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen gehen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur "Wafa" am Montag.

Die Hamas beschuldigte ihrerseits Israel, den Tod der drei Jugendlichen für weitere Militäraktionen gegen die Palästinenser zu benutzen. "Wir weisen alle israelische Unterstellungen und Drohungen gegen uns zurück", hieß es in einer Erklärung der Hamas. Keine palästinensische Gruppe - auch nicht die Hamas - habe sich zu der Aktion bekannt. Israel wirft der radikalislamischen Palästinenserorganisation vor, hinter der Entführung der Jugendlichen am 12. Juni zu stehen.

Jagd auf die Entführer dauert noch an

Die Jugendlichen wurden offenbar schon kurz nach der Entführung erschossen. Ihre Leichen wurden nur wenige Kilometer entfernt von dem Ort gefunden, an dem sie zuletzt gesehen worden waren. Die Jagd nach den Entführern dauere noch an, berichteten israelische Medien. Der Geheimdienst hat zwei Hamas-Mitglieder als Tatverdächtige genannt. Nach Medienberichten drang die Armee am Montagabend in die Häuser von zwei Verdächtigten in Hebron ein. Laut palästinensischen Angaben, die "Haaretz" zitierte, sprengten die Soldaten die Gebäude, nachdem die Familien die Häuser verlassen mussten.

Tat sorgt für weltweite Betroffenheit

US-Präsident Barack Obama verurteilte die Ermordung der drei Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren auf das Schärfste. Obama bezeichnete die Tat als "sinnlosen Terrorakt gegen unschuldige Jugendliche" und sprach den Familien der drei Teenager sein tiefstes Mitgefühl aus.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte "geschockt". "Es handelt sich um eine verabscheuenswürdige Tat, für die es keinerlei Entschuldigung geben kann", erklärte Merkel am Montagabend in Berlin. Ihr Mitgefühl gelte den Familien und Freunden der Jugendlichen.

"Papst Franziskus schließt sich dem unsagbaren Schmerz der Familien an, die von dieser mörderischen Gewalt getroffen wurden", erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Montagabend in Rom.

Heimtückischer Terrorakt

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte eine Kooperation der Ermittler. Er hoffe, israelische und palästinensische Behörden würden zusammenarbeiten, um die Täter so rasch wie möglich zu fassen, erklärte Ban in New York. Der Mord sei ein heimtückischer Akt der Feinde des Friedens und solle den Konflikt vertiefen und Misstrauen verstärken. "Das darf keinen Erfolg haben."

Der französische Präsident Francois Hollande und der britische Premier David Cameron verurteilten die Ermordung der drei Jugendlichen auf das Schärfste. Während Hollande von einem "feigen Mord" sprach, verurteilte Cameron den "entsetzlichen und unentschuldbaren Terrorakt". Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sprach von einem "abscheulichen, feigen und barbarischen Verbrechen."

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, zeigte sich "persönlich zutiefst schockiert". Er hoffe, dass die Entführer und Mörder der Buben nun bald gefasst und ihrer Strafe zugeführt werden.

In einer ersten Reaktion sagte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) laut Aussendung: "Ich verurteile die Ermordung der drei entführten israelischen Schüler auf das Schärfste. Unser Mitgefühl gilt ihren Familien und Freunden in dieser schweren Stunde. Die Täter müssen vor Gericht gestellt werden".

"Keine Gnade für Kindermörder"

Rechtsorientierte israelische Abgeordnete forderten ein hartes Vorgehen gegen Hamas. "Dieses tragische Ende muss auch das Ende der Hamas sein", sagte Danny Danon von der Regierungspartei Likud. Er forderte eine Militäroperation und einen "tödlichen Schlag" gegen die Hamas. Auch Parlamentspräsident Juli Edelstein (Likud) sagte: "Israel muss einen kompromisslosen Krieg gegen den Terror im Allgemeinen und speziell gegen die Hamas führen." Wirtschaftsminister Naftali Bennett sagte: "Es gibt keine Gnade für Kindermörder." Der Vorsitzende der Siedlerpartei sagte zudem: "Dies ist eine Zeit für Taten, nicht für Worte."

Nördlich der Stadt Hebron seien starke Truppenverbände im Einsatz, berichtete der israelische Rundfunk am Montagabend. Es sei zu Schusswechseln mit Palästinensern gekommen. Es sei auch im Gebiet der Kleinstadt Chalchul zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Armee und Palästinensern gekommen, hieß es. Die Stadt Hebron wurde abgeriegelt.

Seit dem Verschwinden der Jugendlichen auf dem Heimweg am 12. Juni hat die israelische Armee bei Razzien nach eigenen Angaben etwa 420 Palästinenser festgenommen, die meisten davon Hamas-Mitglieder.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Israelisches Kampfjet attackiert Ziele im Gazastreifen

Drei Einrichtungen der Hamas wurden Freitagabend attackiert, parallel dazu soll es Bemühungen um eine Feuerpause geben.
People attend a memorial service for three missing Israeli teenagers whose bodies were found in the occupied West Bank, in New York
Außenpolitik

Auge um Auge: Rachemord in Jerusalem?

Nach der Ermordung von drei jüdischen Religionsschülern wurde die Leiche eines jungen Palästinensers gefunden. Rechte Extremisten haben möglicherweise das Recht in die eigene Hand genommen, befürchtet die Polizei.
Außenpolitik

Rache für Racheakt: Hamas droht mit Vergeltung

Der 16-jährige Mohammed Abu Chdeir wurde in Jerusalem entführt, sein Leichnam später verbrannt entdeckt. Die Wut schaukelt sich landesweit auf.
Außenpolitik

Israel: Ermordung dreier Teenager facht Siedlungsdebatte an

Nach der Ermordung von drei jüdischen Burschen im Westjordanland berät das Kabinett über weitreichende Vergeltungsmaßnahmen. Der Bauminister will neue Fakten aus Beton schaffen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.