Politmessias, verzweifelt gesucht: Die Stunde der Quereinsteiger

Miro Cerar
Miro Cerar(c) APA/EPA/ANTONIO BAT (ANTONIO BAT)
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Der Typus des Antipolitikers wird in den „jungen Demokratien“ Osteuropas immer beliebter. Bei jenen, die überhaupt noch wählen gehen.

Der Verfassungsjurist Heinz Mayer hat die vorgezogene Wahl in Österreich gewonnen. Seine erst vor sechs Wochen gegründete Partei mit dem klingenden Namen "Partei von Heinz Mayer" errang fast 35 Prozent. Die Sozialdemokraten, die bisher den Kanzler stellten, flogen ebenso aus dem Parlament wie die Neos, von den Regierungsparteien blieben nur die arg gestutzten Grünen und das Team Stronach übrig.

Das alles ist am Sonntag natürlich nicht passiert. Zumindest nicht in Österreich. Aber die Analogie zeigt drastisch, was sich im Nachbarland Slowenien ereignet hat: Der 50-jährige Rechtsprofessor Miro Cerar, ohne politische Erfahrung oder aktenkundige Wirtschaftskompetenz, wird nächster Premier des noch immer kriselnden Landes, das 2013 nur knapp unter dem Euro-Rettungsschirm durchgetaucht ist. Die einzige der traditionellen Parteien, die über 20 Prozent kam, waren die konservativen Demokraten, deren Spitzenkandidat Janez Janša den Wahlkampf vom Gefängnis aus führte, weil er zwei Jahre wegen Korruption absitzt, verurteilt allerdings in einem nicht unumstrittenen Verfahren. Janšas Truppe will das Ergebnis nicht anerkennen und die Parlamentsarbeit boykottieren, da ihr Chef ein „politischer Gefangener“ sei. So viel zum Demokratieverständnis der Demokratischen Partei.

Das Wahlergebnis ist ein verzweifelter Hilferuf, eine ultimative Forderung nach dem Retter, der alles anders machen soll. Ein Lechzen nach dem größtmöglichen Kontrapunkt zur Politklasse, die sich nicht nur in den Augen der Slowenen großteils und gründlich diskreditiert hat.

Nun ist es ja quer durch Europa seit geraumer Zeit ein probates Rezept, sich als Antipolitiker zu präsentieren, der kein Geschöpf aus der Ursuppe des existierenden „Politsumpfs“ ist. In Italien hat das schon zweimal funktioniert (Berlusconi, Grillo), in Deutschland nur begrenzt auf Landesebene (Ronald Schill in Hamburg), die Niederlande hatten ihren 2002 ermordeten Pim Fortuyn. In letzter Zeit ist das Phänomen massiv in die „jungen Demokratien“ Ost- und Südosteuropas metastasiert: Gerade erst hat im März Quereinsteiger Andrej Kiska die Präsidentenwahl in der Slowakei im Handstreich für sich entschieden, Andrej Babiš Partei mit dem symptomatischen Namen "Aktion unzufriedener Bürger" wurde im Herbst 2013 zur zweitstärksten Kraft in Tschechien. Und nun Cerar in Slowenien.

Vor einem Vierteljahrhundert durften die Menschen in diesen Ländern erstmals frei wählen. Doch bereits heute hat ein signifikanter Teil der Bevölkerung davon bereits wieder genug (die 50 Prozent Wahlbeteiligung in Slowenien lassen sich nicht durch das Wort „Urlaub“ schönreden, die Zahl folgt einem regionalen Trend), viele andere glauben, nur noch der ultimative Antipolitiker könne die Politik retten. Wobei sich Sloweniens Cerar in einem Punkt wohltuend von Kiska, Babiš, aber auch Poroschenko in der Ukraine unterscheidet: Er ist kein Großunternehmer, dem man nach dem Modell Berlusconi unterstellen kann, in der Politik nur seine Geschäftsinteressen wahren zu wollen.

Man kann nur hoffen, dass er die Geschäftsinteressen Sloweniens wahrt, doch danach sieht es nicht aus: Cerar ist gegen die ohnehin nur schleppende Veräußerung von Staatseigentum; doch Sloweniens Probleme resultierten ja gerade daraus, dass nicht zu viel, sondern zu wenig privatisiert wurde. Das Staatseigentum an den Banken, deren Verfilzung mit der Politik Unmengen an faulen Krediten geboren hatte, führte ja erst zur Misere.

Die Slowenen müssen unglaublich verzweifelt sein, denn mit einem Quereinsteiger sind sie gerade erst schlecht gefahren: dem Ex-Manager Zoran Janković, trotz schwerer Korruptionsvorwürfe noch immer Bürgermeister von Ljubljana. Ende 2011 wurde seine gerade erst gegründete Partei Positives Slowenien stärkste Kraft. Ihm ist es zu verdanken, dass die Slowenen nun den dritten Premier in zwei Jahren bekommen. Janković sprengte in einer Art politischem Selbstmordanschlag die Regierung der Finanzfachfrau Alenka Bratušek, die Slowenien immerhin aus der Bankrottzone navigierte. Am Sonntag ist die Janković-Partei hochkant aus dem Parlament geflogen. So viel zur Halbwertszeit von vermeintlichen Hoffnungsträgern.

E-Mails an:helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2014)

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