Freihandel: US-Abkommen ohne Mehrheit

An European Union flag flutters outside of the European Parliament in Brussels
An European Union flag flutters outside of the European Parliament in Brussels(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
  • Drucken

Das Europaparlament muss über den Vertrag mit den USA in Zukunft abstimmen. Derzeit zeichnet sich eine Ablehnung ab.

Straßburg. Nach Acta und Saatgutverordnung zeichnet sich nun auch bei dem derzeit verhandelten Freihandelsabkommen (TTIP) mit den USA ein Veto durch das Europaparlament ab. Würde derzeit über TTIP abgestimmt, gebe es keine Mehrheit, heißt es aus mehreren Fraktionen. Der scheidende Handelskommissar Karel De Gucht konnte diese Woche die Gemüter im Abgeordnetenhaus nicht beruhigen. „Das Ganze wird auf einen Kulturkampf hochstilisiert, nach dem Motto, die amerikanische Lebensart bedroht unsere europäische“, behauptete er bei einer Debatte im Plenum des Parlaments.

Im Rahmen der Bestellung des nächsten Handelskommissars wird das Europaparlament eine härtere Linie bei den Verhandlungen einfordern. Die Kritik der Abgeordneten konzentriert sich neben der mangelnden Transparenz der Gespräche auf zwei inhaltliche Punkte: Die geplante Investitionsschutzklausel, die großen Investoren ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren zusichern soll, und das Regulatory Cooperation Council (RCC), die vorgesehene institutionelle Einbindung betroffener Interessenvertretungen bei der Weiterentwicklung von Standards (zum Beispiel: Konsumenten- oder Umweltschutz). Dieses Gremium, so warnt der grüne Abgeordnete Michel Reimon, drohe das demokratische Gesetzgebungsverfahren in Europa schon im Vorfeld einzuschränken und Lobbyisten Tür und Tor zu öffnen.

Der Delegationsleiter der SPÖ-Abgeordneten, Jörg Leichtfried, der sich einst für das Abkommen ausgesprochen hat, fordert nun im Gespräch mit der „Presse“ einen „Abbruch der Verhandlungen“. Sowohl er als auch Reimon gestehen allerdings ein, dass ein Handelsabkommen mit den USA grundsätzlich sinnvoll wäre. „Aber nicht auf die Art, die sich jetzt abzeichnet“, so Leichtfried. Das Europaparlament kann die Kommission, der bereits ein Verhandlungsmandat erteilt wurde, zwar nicht das Recht zu Gesprächen entziehen. Die Abgeordneten dürften aber den politischen Druck auf den künftigen Handelskommissar verstärken.

Reagieren die EU-Verhandlungsführer nicht auf die wachsenden Einwände der Abgeordneten, droht nach Abschluss der Gespräche mit den USA ein Veto durch das laut EU-Vertrag in den Entscheidungsprozess eingebundene Europaparlament. Lediglich in der Europäischen Volkspartei (EVP), bei den Liberalen (ALDE) und bei der von den Tories dominierten Fraktion der Konservativen und Reformisten (ECR) würde derzeit nach Einschätzung von Fraktionsvertretern eine Mehrheit für das Abkommen stimmen. Sozialdemokraten, Grüne, Linke und die fraktionslosen EU-skeptischen Abgeordneten lehnen TTIP hingegen mittlerweile klar ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

EU–USA: Im Trippelschritt zum Handelspakt

In Brüssel startet die mittlerweile sechste Verhandlungsrunde über das Freihandelsabkommen TTIP. Die großen Hürden dürften auch dieses Mal nicht genommen werden.
Kommentare

Von der Angst, über den Atlantik zu schauen

Warum ein Handelsabkommen der großen westlichen Blöcke sinnvoll sein könnte, obwohl es ein weiteres Stück Globalisierung bringt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.