Mohammed und die Sache mit der Sommerzeit

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Der spätere Sonnenuntergang im Sommer verlängert die täglichen Fastenstunden im Ramadan. Man erträgt es in dem Land mit der toleranten Ausprägung des Islam indes mit Würde.

Ramadan bedeutet – analog zu unserem September – „neunter Monat“. In diesem Monat sind Muslime verpflichtet, von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang zu fasten. Ausgenommen sind Alte, Kranke, Kinder, Schwangere und Menstruierende, Reisende und Krieger.

Der weltweit im 16. Jahrhundert eingeführte gregorianische Kalender löste im arabischen Raum den Mondkalender ab. Der Ramadan „wandert“ seither langsam durch die modernen Kalenderjahre. Heuer findet er von Ende Juni bis Ende Juli statt. Der Prophet Mohammed, so ein Muslim schmunzelnd, konnte zwei Dinge nicht ahnen, als er das Fasten zu einer Pflicht machte: dass der Mondkalender abgeschafft und die Sommerzeit eingeführt würde. Dadurch geht die Sonne später als zu Mohammeds Zeiten im siebten Jahrhundert unter, sie verlängert die täglichen Fastenstunden, die bei den derzeitigen Temperaturen von bis zu 46Grad eine Herausforderung darstellen.

Ausländischen Gästen wird – anders als in einigen anderen muslimisch geprägten Weltgegenden – im tolerantesten Land Arabiens gestattet, auch untertags zu essen und zu trinken. Man wird lediglich ersucht, sich nicht direkt vor Omanis zu laben, um ihnen ihren Verzicht selbst auf Wasser nicht noch weiter zu erschweren.

Beendet wird das Fasten mit Iftar, dem Fastenbrechen, bei dem die ganze Familie und oft auch Verwandte, Freunde, Gäste zusammenkommen, um dem Körper wieder Flüssigkeit und köstliche, würzige Speisen zuzuführen.

Toleranteste Strömung des Islam. Im Oman wird das Fasten sehr ernst genommen, wiewohl der dort mehrheitlich gelebte Ibadismus (auch: Ibadiya) die bei Weitem toleranteste der drei islamischen Strömungen ist (die anderen sind Sunniten und Schiiten). Entwickelt wurde der Ibadismus zur Zeit des ersten Omayyaden-Kalifen in Basra im damaligen Zweistromland und ist somit eine der ältesten philosophischen Richtungen innerhalb des Islam. Bald kam es zu einem Konflikt mit den Sunniten im heutigen Südirak, die Ibaditen flohen in den Oman. Auch heute wird der Ibadismus von vielen Muslimen nicht anerkannt.

Nach Ansicht der Ibaditen darf etwa die Religion nicht als Grund für Kriege herhalten. Ibaditen stehen auch ganz im Gegensatz etwa zu den Kalifatsausrufern der IS in Syrien und dem Irak auf dem Standpunkt, dass der Koran stets neu interpretiert und an die Zeiten angepasst werden darf.

Ein weiterer großer Unterschied zu Sunniten und Schiiten: Der religiöse und weltliche Führer erbt seine Rolle nicht zwingend, sondern wird von der Gemeinschaft der Gläubigen gewählt. Theoretisch kann sich jeder bewerben, sofern er sattelfest in Religion und Management des Gemeinwesens ist. Die Gemeinschaft wiederum erwartet von ihrem Imam, dass er für äußere Sicherheit und innere Gerechtigkeit sorge. Ein Imam, der seinen Pflichten nicht nachkommt, kann abgewählt werden.

Eine weltoffene Kultur. Ob dieser omanischen Eigenheit stellt die Kinderlosigkeit des unverheirateten 73-jährigen Sultans Qabus, der 2015 sein 45-jähriges Amtsjubiläum begeht, keine unüberwindliche Hürde bei der dräuenden Nachfolgefrage dar. Qabus ist Herrscher einer absoluten Monarchie mit einem arabisch-islamischen Äquivalent zu einem Zweikammernparlament in einem der dünnbesiedeltsten Länder der Welt, das mangels großer Öleinkünfte wie bei den Nachbarn Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch weniger wohlhabend ist, aber eine jahrtausendealte und durch die Schifffahrt weltoffene Kultur hat.

Der Arabische Frühling hat auch vor dem Oman nicht haltgemacht, es gab Demonstrationen. Gefordert wurden, wie anfangs auch in Kairo, Mindestlohn und Arbeitslosenversicherung. Im Gegensatz zum Ägypter Mubarak ließ Qabus die Proteste nicht niederkartätschen. Vielmehr setzte er ein Komitee ein, das binnen dreier Wochen Lösungen für die drängenden Probleme fand, inklusive Hinauswurfs dreier Minister.

Die meisten der 3,2Millionen Omanis und auch die halbe Million Expats (meist westliche oder indische Ausländer) sind heilfroh über die Zustände in diesem landschaftlich einzigartigen Land. „Inshallah ist es bei uns sicher und ruhig“, hört man sehr oft. In dieser herausfordernden Umgebung ein kleines Wunder. lik

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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