Valtteri Bottas: Ein Finne, der auch lachen kann

FORMEL 1 - GP von Grossbritannien
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Mit zwei Podestplätzen in Serie lässt Williams-Pilot Valtteri Bottas in der Formel 1 aufhorchen. Mika Häkkinen, sein Manager, schwärmt von Finnlands neuem Motorsport-Juwel.

Finnen fahren sehr gut Auto. Sie sind immer schnell, fahren sicher, beherrschen Drifts und verstehen das Auto zumeist blind. Ob Reifendruck, Lenkung oder Aerodynamik, Finnen kennen im Motorsport jeden Schmäh. Ari Vatanen, Hannu Mikkola, Timo Salonen, Juha Kankkunen (4 x), Tommi Mäkinen (4 x) und Marcus Grönholm (2 x) – sie wurden Rallye-Weltmeister und gelten angesichts ihrer Rennen und, selbstredend, kompromisslosen Fahrstile als Legenden. Auch in der Formel1 gibt es große Suomi-Champions, wenngleich nicht so viele. Keke Rosberg (1982), Mika Häkkinen (1998, 1999) und Kimi Räikkönen (2007) sind im Motorsport aber jedem ein Begriff.

Finnen gelten als Schweiger. Sie lachen selten, das behaupten Beobachter, ohne näher auf die finnische Seele, den Quell innerer Kraft (Sisu) oder etwaige Tangovorlieben eingegangen zu sein. Von Sommerhaus (Mökki), Sauna, Olut (Bier), Kala (Fisch) und Koskenkorva-Schnaps ganz zu schweigen.

Nun schickt sich einer an, mit diesem Klischee aufzuräumen. Er gibt unermüdlich freundliche Antworten, er ist nahbar, ja: Er lacht sogar. Er spaziert – noch nicht – grußlos und wortkarg an Besuchern in der Boxengasse vorbei. Doch was viele für unmöglich gehalten haben, lebt Valtteri Bottas in der Formel 1 derzeit vor. Und, der Williams-Pilot ließ vor allem mit erstaunlichen Ergebnissen aufhorchen. Dritter in Spielberg, sensationell Zweiter in Silverstone – heute Sieger in Hockenheim (14 Uhr, ORF1, Sky, RTL)?

Bottas, 24, kommt aus Nastola, einem Dorf nahe der Skisprunghochburg Lahti. Dass er mit Langlauf und Schanzen nichts anfangen kann, ist vor allem einer Werbetafel geschuldet. Vor 20 Jahren fuhren er und sein Vater an einer Reklame vorbei, die Zuschauer zu einem Kartrennen locken sollte. Der Junior genoss den Tag, sein Vater verstand das stille Bewundern vollkommen richtig als echte Begeisterung und ein Jahr später saß Valtteri erstmals im Rennkart.


Häkkinens Schützling. Ab diesem Zeitpunkt sind nur wenige Anekdoten aus dem Ursprung von Bottas' Karriere bekannt, sie durchlief allerdings die für einen Formel-1-Piloten gängigen Ligen. Formel Renault (2008 17 Siege), Formel-3-Euroserie (3. Platz 2009) und Sieg in Zandvoort. GP2 (2010), GP3 (2011; Titel) und seit 2012 gibt er für Williams Gas. Anfangs bewusst noch als Testfahrer, „um zu lernen und keine teuren Fehler zu begehen“, verrät sein Manager Mika Häkkinen. Das machte sich bezahlt: 2013 folgte die Beförderung zum Stammpiloten und in der aktuellen WM lacht Williams-Pilot Bottas sogar von der fünften Stelle. Er liegt sogar drei Punkte vor Vierfach-Champion Sebastian Vettel...

Bottas ist der erste Pilot, der der Managementgruppe von Didier Cotton, Häkkinen und Toto Wolff entstammt und in der Spitze der Formel1 Fuß gefasst hat. Dafür übersiedelte Bottas auch schon vor Jahren nach England, um die Sprache besser zu lernen und näher am Geschehen zu sein. Er sagt: „Wenn ich nicht Rennen fahre, bin ich fast jeden Tag bei Williams, um im Simulator zu testen. Das macht Spaß, es funktioniert.“

Während die Szene in dieser Saison zuerst die Schwächen Ferraris, Räikkönens fragwürdiges Auftreten und die Überlegenheit der Silberpfeile verfolgte, lenkte sich nun auch Bottas vorerst ins Rampenlicht. Ob der Williams-Bolide auch weiterhin diese Leistung und Ausdauer auf den Asphalt zaubern kann, bleibt abzuwarten. Bottas, verheiratet mit der Olympia-Schwimmerin Emilia Pikkarainen, nimmt es gelassen, er lacht. Er habe in Wahrheit in dieser Saison doch schon alles gewonnen, teilt Manager Häkkinen mit. Trotz der Erfolge müsse er aber weiter Werbung machen für seinen Schützling, der als größtes Talent gepriesen wird und eines Tages vielleicht bei einem Topteam auch um den Titel mitfahren soll. Seinen Job bei Williams erfüllt er jedenfalls mit maximalem Einsatz. „Valtteri gibt dem Rennstall Balance und Zusammenhalt, hilft bei der Entwicklung. Und, er schafft Topergebnisse mit einem Auto, das nicht das schnellste ist.“


Er ist ein Vollprofi. Bottas fuhr in diesem WM-Jahr in neun Rennen achtmal in die Punkteränge, der Druck auf Teamkollegen Felipe Massa ist enorm. Auch versteht Bottas den Job abseits der Rennstrecke mit Bravour zu erfüllen. Ob PR-Termin, Fotoshooting, Pressekonferenz, es gibt kein Murren, Klagen oder grimmige Blicke. Er bleibt bodenständig – für den einen mag es trotzdem still anmuten, für andere ist es schlichtweg professionell.

Rob Smedley, Leiter der Fahrzeug-Performance bei Williams, erzählte der Motorsportplattform „f1-total“, dass Bottas mit dem zweiten Platz in Silverstone teamintern für Furore gesorgt habe. „Gerade hier konnten wir nicht von einem besseren Ergebnis träumen. Er hat das Zeug, ein außergewöhnlicher Fahrer zu werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2014)

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