Aus für "Sonderpädagogischen Förderbedarf" gefordert

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Behindertenanwalt Erwin Buchinger sieht den besonderen Bedarf als Stigma und will stattdessen eine Reform des Fördermodells.

Der Unterricht von behinderten Kindern ist einer der größten Streitpunkte in der Bildungspolitik. Das geht von der Frage nach der Berechtigung von Sonderschulen bis hin zum Etikett "Sonderpädagogischer Förderbedarf".

Nun gibt es einen Vorstoß von Behindertenanwalt Erwin Buchinger: Er fordert im "Standard" die Abschaffung des Kriteriums "Sonderpädagogischer Förderbedarf" (SPF) für Schüler mit speziellen Bedürfnissen. Stattdessen will er eine Reform des Fördermodells.

Buchinger: Schulen geht es oft ums Geld

Sonderbudgets zur Förderung von Schülern mit körperlicher oder intellektueller Beeinträchtigung dürften nicht mehr von einzelnen SPF-Schülern abhängig gemacht werden, so Buchingers Forderung. Im Ö1-"Mittagsjournal" vermutet Buchinger außerdem, dass es bei der Vergabe des SPF oft ums Geld geht: Schulen hätten ein Interesse, zusätzliche Lehrerstellen zu erhalten und Schüler mit SPF seien eine Möglichkeit dafür.

Vor allem Schulen mit vielen Migranten wurden Kindern und Jugendlichen diesen Status oft zuerkennen. Eine Reform solle im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen angegangen werden. Kurzfristig wünscht sich der frühere SPÖ-Sozialminister außerdem, dass der "mächtige Stempel SPF" nicht in Zeugnissen ersichtlich ist und fordert von der Politik einen "Fahrplan" zur Schließung der Sonderschulen.

Immer mehr Schüler mit SPF

Die Zahl der Schüler mit SPF ist in den vergangenen Jahren angewachsen: Laut Statistik Austria ist die Zahl der Sonderschüler zwischen 2006/07 und 2012/13 von 27.488 auf knapp 30.000 bzw. deren Anteil von 4,3 auf 5,2 Prozent der Schüler gestiegen. Im vergangenen Schuljahr gab es laut Daten des Bildungsministeriums bundesweit mehr als 30.500 Kinder und Jugendliche mit SPF, die wegen körperlicher oder psychischer Einschränkung spezielle Unterstützung im Unterricht benötigen. Allerdings bemängeln Kritiker eine gewisse Willkür bei der Einstufung - so werde vor allem Kindern mit Migrationshintergrund oder aus niedrigen sozialen Schichten SPF attestiert.

Der Anteil an Kindern mit SPF variiert zwischen den Bundesländern deutlich: So sind es in Tirol 3,8 Prozent der Pflichtschüler, in Wien 6,7 Prozent. Der Bund vergibt allerdings unabhängig vom tatsächlichen Bedarf Förderung für 2,7 Prozent der Pflichtschüler, die Summe wird dann von den Ländern pro Schüler verteilt.

Seit 1993 können Eltern wählen, ob Kinder mit SPF in einer eigenen Sonderschule (Sonderpädagogisches Zentrum/SPZ) oder Sonderschulklasse oder aber gemeinsam mit Schülern ohne spezielle Bedürfnisse beschult werden. 2013/14 wurden 61 Prozent der Schüler mit SPF integrativ unterrichtet.

Ministerium: Keine Abschaffung des SPF

Im Bildungsministerium hieß es, dass die Qualitätssicherung der Gutachten zum SPF in einem Rundschreiben verankert worden sei und es hier regelmäßig Schulungen für Gutachter gebe. Eine von Buchinger geforderte Abschaffung des SPF wird es nicht geben: Im Ministerium verweist man auf das Regierungsprogramm, in dem vorgesehen ist, dass die Höhe der SPF-Quote sich künftig am tatsächlichen Bedarf orientieren soll. Ziel sei außerdem der Ausbau der Integrationsklassen und die Weiterentwicklung der inklusiven Bildung.

Mit der Ratifizierung der UN-Menschenrechtskonvention hat Österreich sich 2008 zum gemeinsamen Unterrichten von Schülern mit und ohne Behinderungen verpflichtet, im Regierungsprogramm ist die Einrichtung von Modellregionen vereinbart. Bis 2020 soll die Sonderschule zur Ausnahme werden.

(APA/Red.)

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