Kein Versteckspiel um den Förderbedarf bei Kindern

Wer zusätzliche Förderung braucht, soll sie auch bekommen.

Behindertenanwalt Erwin Buchinger verfolgt ein lobenswertes Ziel. Er will gegen die Stigmatisierung von Kindern vorgehen, denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf attestiert wird. Das Mittel, das er dafür wählt, ist allerdings denkbar ungeeignet: Er will den Sonderpädagogischen Förderbedarf, kurz SPF, streichen.

Die Crux an der Sache: Wenn man leugnet, dass das eine oder andere Kind Schwächen hat, kann es schnell passieren, dass die entsprechende Förderung auf der Strecke bleibt. Schulen könnten sich dagegen sperren, Kinder aufzunehmen, weil sie nicht mehr automatisch zusätzliche Ressourcen bekommen. Die Verteilung der entsprechenden Gelder nach einem Rate-mal-Konzept kann nicht zielführend sein. Im Gegenteil, die Kriterien, nach denen Ressourcen für Sonderpädagogischen Förderbedarf vergeben werden, sollten klar und transparent sein. Und: Vielleicht würde nicht die Abschaffung, sondern eine großzügigere Vergabe eine Stigmatisierung der Schüler verhindern.

So gibt es nirgends eine höhere Quote an Förderschülern als im Bildungsvorzeigeland Finnland. Dort war jeder Zweite bis zur Oberstufe zeitweise Förderschüler. Auch in Österreich brauchten viele Kinder zusätzliche Förderung. Sei es, weil sie Lernschwächen haben, sei es, weil sie außerordentlich begabt sind. Der Umgang mit den Bedürfnissen der Kinder sollte aber eines nicht sein: ein Versteckspiel.

E-Mails an:rosa.schmidt@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

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