Damit war nicht zu rechnen

„Mathematiker rechnen nicht.“ Dieses trockene Bonmot servierte Martin Hairer, der erste österreichische Träger der Fields-Medaille, gleich nach Bekanntgabe der Preises.

Schön gesagt. Vor allem in einem Land, in dem sich diese Weisheit zu etlichen Mathematiklehrern noch nicht durchgesprochen hat: Sie quälen die Schüler lieber mit elend langen, vertrackten Rechnungen, statt ihnen die faszinierenden Ideen ihrer Wissenschaft zu vermitteln. So lernen viele Gymnasiasten viel über Mengenlehre, nur eines nicht: dass sie eigentlich dazu dienen soll, das Wesen des Unendlichen zu erfassen.

Umso erfreulicher, dass nun ein Österreicher – wenn auch einer, den es gar nicht in die Heimat zieht – die Medaille erhält, die als Pendant zu den Nobelpreisen gilt. Jedes Jahr warten wir gebannt darauf, dass endlich „ein Unserer“ den Physiknobelpreis bekommt, und dann das!

Schön auch, dass kaum jemand mit dem Spruch „Wir sind Fields-Medaillisten“ reagieren wird: Hairers Forschungsobjekten, den stochastischen partiellen Differenzialgleichungen, haftet für uns Laien doch eine gewisse Aura des Geheimnisvollen an. Indessen freuen wir uns am Stochastischen, Überraschenden, mit der unseren Töchtern und Söhnen Weltruhm zuteil wird: Literaturnobelpreis, Bachmann-Preis, Songcontest, Fields-Medaille, . . . Immer konnten wir sagen: Damit war nicht zu rechnen. Erfolg ist nicht völlig planbar, und das ist gut so.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Hochschule

Die erste Frau, die eine Fields-Medaille bekommt, ist Iranerin

Nichteuklidische Geometrie: Die 37-jährige Maryam Mirzakhani fiel bereits als Teenager in Teheran mit ihrer hohen Begabung für Mathematik auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.