Der ewige Schwerenöter war immer schon ein Trendsetter

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE 'DON JUAN KOMMT AUS DEM KRIEG'
SALZBURGER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE 'DON JUAN KOMMT AUS DEM KRIEG'APA/BARBARA GINDL
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"Don Juan" inspirierte auch Komponisten von Gluck bis Richard Strauss zu avantgardistischen Experimenten.

Mit dem großen Verführer beginnt alles; zumindest in der Musik. Mozarts „Don Giovanni“ ist (nebst dem „Figaro“ und der jüngeren „Zauberflöte“) die erste „echte“ Repertoire-Oper, die nie aus den internationalen Spielplänen verschwand. Aber nicht nur das. Der 1761, ein Jahr vor dem fürs Operngenre revolutionären „Orfeo“, in Wien geborene „Don Juan“, der zur Musik von Christoph Willibald Gluck tanzte, war für die Theatergeschichte ein ebensolcher Avantgardist wie sein 16 Jahre jüngerer singender Compagnon.

Glucks „Don Juan“ gilt als das erste „Handlungsballett“ der Geschichte und hat Schule gemacht. Auch wenn man die Partitur nach dem Anfangserfolg erst im 20. Jahrhundert wieder dem Ballettgebrauch zuführte: Eine Melodie aus Glucks Numero 20 blieb über die Jahrhunderte ein Ohrwurm: Don Juans Fandango kehrt in genialer Adaption im Finale des dritten Akts von Mozarts „Figaro“ wieder!

Mozarts „Don Giovanni“ hat wiederum viel mit der gleichnamigen Oper Giuseppe Gazzanigas zu tun, die im selben Jahr, 1787, das Licht der Bühnenwelt erblickt hat.

Aus dem von Giovanni Bertati für Venedig gedichteten Libretto entlehnte Mozarts Poet Lorenzo da Ponte manches Detail für die Prager „Don Juan“-Sensation, die schon zwei Generationen später als „Oper aller Opern“ galt. Das Diktum stammt von niemand Geringerem als E. T. A. Hoffmann, der die lange Liste hoch prominenter „Don Giovanni“-Kommentatoren und -Analysten eröffnete.

Durch Klangerotik zum Ich. Eine Dichtergeneration später setzte Nikolaus Lenau an, einen „Don Juan“ zu dichten. Das Versepos blieb unvollendet, ist aber in seinem ungeniert freizügigen Schwung zum literarischen Vorbild für eine ebenso ungeniert freizügige, musikhistorisch wiederum richtungsweisende Tondichtung geworden: Mit dem „Don Juan“, seinem op. 20, schrieb sich Richard Strauss 1888 sozusagen „frei“: Ab diesem Moment war der Komponist ganz da, ganz er selbst – und beherrschte die Kunst der handgreiflichen klingenden, na ja, sagen wir, Milieuschilderung virtuos.

So hinreißend vorwärtsdrängend gelang selbst Strauss später keiner seiner zahlreich komponierten „Liebesakte“ (sie stehen übrigens mehrheitlich in der „Don Juan“-Tonart E-Dur); man vergleiche die Vorspiele zum „Rosenkavalier“ oder zum dritten Akt der „Arabella“ . . .

Strauss' unmittelbares Vorbild in Sachen Tonpoeterei, Franz Liszt, näherte sich in reifen Jahren dem Don Juan nur noch mittels Anverwandlung von Motiven aus Mozarts damals schon ungemein populärer Oper – die 1869, so scheint's, ganz selbstverständlich auserkoren wurde, die neu gebaute Wiener Hofoper am Ring zu eröffnen. Liszts höllisch schwierige Klavierparaphrase zählt bis heute zu den pianistischen Eiger-Nordwand-Herausforderungen.

Der Meister selbst vermochte derlei so leicht zu erobern wie die Herzen der Frauen. Liszt selbst war ein Don Juan, wie er im Büchel steht. Nicht von ungefähr trug einer seiner frühesten Kompositionsversuche den Titel „Don Sanche ou le château d'amour“. Der Komponist war gerade 13 Jahre jung, als er seine Variante von „Komm auf das Schloss mit mir“ in Töne setzte.

Mehr Erfahrung gesammelt hatte freilich Erwin Schulhoff. Der geniale Pendler zwischen Avantgarde, Klassizismus und Jazz, 1942 im Konzentrationslager umgekommen, schuf Anfang der Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts seine „Flammen“, eine modern-psychologisierende Don-Juan-Adaption, der die Unmöglichkeit der Vermählung von Eros und Tod dramaturgische Spannung verleiht.

Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gab es dann noch eine ausladende symphonische Don-Juan-Partitur: Errol Flynn zog für Hollywood in den Kampf gegen das schöne Geschlecht. Erich Wolfgang Korngold sollte die Musik schreiben – wurde aber dann durch Max Steiner („Vom Winde verweht“) ersetzt. Die Verführerklänge blieben in Wiener Hand; der Oscar ging damals freilich an die Kostümschneider . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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