Maut: Deutsche Juristen wittern Diskriminierung

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Bei deutschen Staatsrechtlern findet die geplante Ausländermaut keine Gnade.

Berlin. Groß war die Wut des CSU-Generalsekretärs, als sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages negativ zur geplanten Pkw-Maut für Ausländer äußerte. „Zum Altpapier“ gehöre die Studie, ereiferte sich Andreas Scheuer, der „untragbare“ Gutachter liege „voll daneben“ und dürfe „nie wieder“ für den Dienst arbeiten.

Doch zwei Wochen später zeigt sich, dass der Jurist mit seinen Zweifeln in bester Gesellschaft ist: „Ein Vorhaben, mit dem nur Ausländer belastet werden sollen, trägt die Diskriminierung schon in sich“, erklärt der Verfassungsrechtler Joachim Wieland, Vorsitzender der Deutschen Staatsrechtslehrer, dem „Handelsblatt“. Eine „mittelbare Diskriminierung“ sah auch der Wissenschaftliche Dienst, wenn zugleich eine Infrastrukturabgabe für alle Autofahrer eingeführt und die Kfz-Steuer für deutsche Lenker im gleichen Umfang gesenkt wird. Da nütze es auch nichts, wenn der Bundestag die beiden Gesetze getrennt beschließt.

Rückendeckung für Bures

So sieht es auch Doris Bures (SPÖ), die mit Klagen droht: „Die Verknüpfung von Maut und Steuersenkung ist das Problem.“ Österreichs Verkehrsministerin beruft sich auf den Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer. Ihren deutschen Kollegen ficht das nicht an. Alexander Dobrindt (CSU) hofft auf EU-Verkehrskommissar Kallas. Der sah in dieser Konstruktion noch vorigen Herbst keine Diskriminierung.

Auf ein weiteres Problem weist der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart hin. Die Mautsätze richten sich nach Hubraum, Zulassungsjahr und Umweltfreundlichkeit – so wie die Kfz-Steuer. Zwar können auch Ausländer übers Internet eine solche exakt kalkulierte Vignette bestellen, und Dobrindts Ministerium stellt das als Normalfall hin. In der Praxis freilich dürften die meisten Ausländer ihre Jahresvignette an Tankstellen kaufen – zu einem Pauschalpreis. Man müsse aber „die gleichen Maßstäbe ansetzen“, sagt Degenhart. Ausländer anders zu belangen „widerspricht dem EU-Recht“. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2014)

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