Bulgarien hat die Arbeiten an der neuen Pipeline aus Russland gestoppt und pocht auf EU-Recht für mehr Wettbewerb. Der Gastransfer durch die Ukraine bleibt indessen unsicher.
Wien. Kommt es im Herbst zu keiner Annäherung zwischen der EU und Russland, droht im kommenden Winter eine neue Gaskrise. Zu einer Verschärfung der Spannungen hat beigetragen, dass Bulgariens neue Regierung Anfang dieser Woche die Arbeiten an South Stream, dem Prestigeprojekt des russischen Gaskonzerns Gazprom, gestoppt hat. Wirtschaftsminister Vassil Shtonov will die Suspendierung erst aufheben, wenn die neue Pipeline EU-Recht entspricht – also die Entkoppelung von Betreiber und Nutzern gesichert ist. Dieses Vorgehen zielt auf eine Auflösung der Vormachtstellung von Gazprom ab. Denn der russische Konzern will den Zugang zur Pipeline selbst kontrollieren.

Bulgarien setzt mit der Suspendierung des Baus die Wünsche aus Brüssel um. Zwar würde South Stream die Versorgung der EU-Staaten mit russischem Gas absichern, da eine alternative Zuleitung abseits der krisengeschüttelten Ukraine geschaffen würde. Die EU-Kommission will durch den Bau der neuen Pipeline allerdings die Abhängigkeit der Mitgliedstaaten von Gazprom nicht weiter erhöhen. Sie stand deshalb dem Projekt, an dem sich auch die OMV beteiligt, von Beginn an skeptisch gegenüber. Laut der OMV-Zentrale kann die Blockade nur aufgelöst werden, wenn Gazprom und EU-Kommission gemeinsam eine Lösung finden. Ein Ansatz wäre, dass auch andere Lieferanten die Pipeline nutzen dürfen. Über South Stream sollen ab 2017 bis zu 60 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich vom Schwarzen Meer bis nach Mitteleuropa transportiert werden.
Doch angesichts der jüngsten Sanktionen gegen Russland ist kaum mit einer raschen Entspannung zu rechnen. Laut OMV hat der aktuelle Konflikt vorerst keinen Einfluss auf die Vorbereitungen für den Bau des 50 Kilometer langen Pipeline-Abschnitts durch Österreich. Mit dem konkreten Bau soll sowieso erst 2016 begonnen werden.
Neuer Vermittlungsversuch
Die Versorgung in Westeuropa bleibt einstweilen vom Transit durch die Ukraine abhängig. Da ein Vermittlungsversuch von EU-Energiekommissar Günther Oettinger zwischen Kiew und Moskau im Frühjahr gescheitert ist, soll im Herbst ein neuer Anlauf genommen werden. Bei dem Konflikt geht es um Gaspreise und bisher unbezahlte Rechnungen durch die Ukraine. Die politischen Spannungen zwischen allen beteiligten Mächten haben in der Zwischenzeit aber eher zu- als abgenommen.
Kommt keine Einigung zustande, könnte es im Winter wie zuletzt 2009 zu Unterbrechungen der russischen Gaslieferungen über die Ukraine nach Westeuropa kommen. Durch den vergangenen milden Winter sind die Gaslager in der EU zwar noch relativ gut gefüllt. Norwegen könnte dieses Jahr zudem mehr Gas als in den letzten Jahren liefern. Ohne russische Lieferungen würde es dennoch in einzelnen Ländern – zum Beispiel in der Slowakei oder Ungarn – zu kritischen Engpässen kommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)