ÖVP-Zurufe von der Zuschauerbank reichen nicht

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Das Liebäugeln mit Millionärssteuern ist beispielhaft: Schrittmacherdienste für die SPÖ verhelfen Spindeleggers ÖVP nicht zur Trendumkehr nach oben.

Der Bundeskanzler müsste Oberösterreichs Landeshauptmann, Josef Pühringer, ein Dankschreiben nach Linz übermitteln. Da wird in der SPÖ eben darüber gemurrt, wie die Parteiführung rund um Werner Faymann die Vergabe von Spitzenposten kommuniziert und durchführt. In der Situation kommt den Sozialdemokraten ein ÖVP-Landeschef, der die Bundespolitik und damit auch Vizekanzler ÖVP-Chef Michael Spindelegger rüffelt, gerade recht. Noch dazu, wenn Pühringer den Lieblingswunsch der SPÖ nach einer „echten“ Millionärssteuer im Raum stehen lässt. Und dabei bezweifelt er ja selbst, dass eine derartige Reichensteuer die Staatskassa tatsächlich auffüllen wird, es sei denn, der Mittelstand wird geschröpft.

Schwarze Landespolitiker machen sich also solche Sorgen um das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der Bundespartei. Sie rufen, alarmiert durch Umfragen, in denen die Bundes-ÖVP unter 20Prozent abgesackt ist, wie Günther Platter, Tirols Landeshauptmann, zur „Kurskorrektur“ auf. Es ist aber nicht gerade die klügste Strategie, Spindelegger mit Schrittmacherdiensten für die SPÖ das Leben als Parteiobmann noch ein Stückchen schwerer zu machen. Schließlich ist die eindeutige Absage des Vizekanzlers und Finanzministers an Millionärs- und Vermögensteuern einer jener Punkte, bei denen die ÖVP seit dem Nationalratswahlkampf im Vorjahr bisher nicht eingeknickt ist.


Eines ist ja unbestreitbar: Wenn es schon um die Anliegen der Österreicher geht, dann ist tatsächlich das Stöhnen darüber, wie viel ihnen Finanz und Sozialversicherung von den hart erarbeiteten Einkünften an Abgaben und Beiträgen abknöpfen, unüberhörbar. So gesehen hat das Drängen auf eine möglichst rasche Steuerreform und eine Entlastung auch seine volle Berechtigung. Aber es ist sicher kein Anlass zur Steigerung des Vertrauens in die Bundespolitik – und schon gar nicht in den Juniorpartner in der Regierung –, wenn auch ÖVP-Politiker zuallererst wieder mit neuen Steuern liebäugeln und in Sachen Klassenkampf der SPÖ Konkurrenz machen wollen. Im März des heurigen Jahres ist von der rot-schwarzen Regierung ohnehin schon ein Steuersündenfall begangen worden, indem etwa Autofahrer stärker zur Kassa gebeten werden. So viel zur Vertrauenssteigerung.

Das Misstrauen der Steuerzahler wird gesteigert, weil in der Steuerdebatte zwar Zahlen über Milliardenentlastungen schon eifrig herumgereicht werden. Bei all der Herumrechnerei und dem Wünsch-dir-Was: Verdächtig ruhig ist es hingegen nach wie vor diesbezüglich, woher das Geld zur Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5Prozent „in Richtung“ 25 Prozent oder zur Erleichterung für die Familien kommen soll. Und wo die nötigen Summen eingespart werden.

Schön und gut, dass die Regierung eine Kommission zum Durchforsten der Verwaltung eingesetzt hat. Aber Konzepte und Papiere zur Abschaffung von zu viel Bürokratie – vom Schulwesen bis zum Sozialbereich – liegen längst in diversen Schubladen. Bloß die Umsetzung durch die Politik ist im Regelfall gescheitert.


Genau in dem Punkt sind zwar vorrangig, aber nicht nur Faymann und Spindelegger, sondern gerade auch die Landespolitiker gefordert. Die Länder weigerten sich etwa, die Kosten für jene Lehrer zu tragen, die sie über das vereinbarte Ausmaß hinaus eingestellt haben. Sie ließen sich in der Vergangenheit selbst für den Erhalt von Militärkommanden im Bundesland feiern. So gesehen ist Spindeleggers barsche Replik an die Kritiker aus den Ländern, jeder solle vor seiner Tür kehren, verständlich.

Die Aufrufe zur Trendwende von ÖVP-Landeschefs kommen auch, weil sie vor der Serie an Landtagswahlen ihre eigenen Wahlchancen durch die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die Reibereien im Bund beeinträchtigt sehen. Vielleicht sollten aber die Landespolitiker darüber nachdenken, wie sehr sie durch die Verteidigung ihrer Schrebergärten oder etwa das Herumdrücken bei der Flüchtlingsunterbringung für das schlechte Image ihrer Bundesparteien mitverantwortlich sind. Zurufe von der Zuschauerbank allein sind zu wenig. Ein Beitrag zur Trendumkehr wäre, sich auch selbst am Riemen zu reißen.

E-Mails an: karl.ettinger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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