Aus dem Libanon und Syrien wurden Nordisrael und die Golanhöhen beschossen. Israel feuerte vorerst nicht zurück. In Gaza richtet die Hamas angebliche Kollaborateure öffentlich hin.
Ohne Perspektive auf eine diplomatische Lösung schaukelt sich die Gewalt von Vergeltungsschlag zu Vergeltungsschlag zwischen Israel und der Hamas weiter hoch. Parallel zu den Kämpfen im Süden gerieten die von Israel annektierten Golanhöhen und das westliche Galiläa am Wochenende unter Beschuss aus Syrien und dem Libanon.
Israels Armee hielt sich mit Vergeltungsschlägen im Norden zunächst zurück. Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte hingegen die Hamas, sie werde „einen hohen Preis bezahlen“, sollte sie Israel weiter beschießen. Die Luftwaffe intensivierte die Angriffe erneut, nachdem am vergangenen Freitag ein Bub in einem Kibbuz bei einem Mörserangriff der Islamisten gestorben war. Im Gazastreifen stieg die Zahl der Todesopfer am Sonntag derweil auf über 2100.
Netanjahu bat die Bevölkerung um Geduld. Die Militäroperation werde fortgesetzt, „bis ihre Ziele erreicht sind“, was über den Beginn des Schuljahres am 1.September dauern könnte. Die Palästinenser im Gazastreifen warnte er davor, sich in Gebäuden aufzuhalten, von denen aus die Hamas „Terroraktivitäten lanciert“. Die Luftwaffe hatte am Wochenende erneut Hochhäuser in Gaza zum Einsturz gebracht, darunter ein Gebäude mit zwölf Stockwerken.
Feuerreichweite geht zurück
Die Hamas konzentriert ihren Kampf verstärkt auf das Umland des Gazastreifens. Militärexperten vermuten, dass das Arsenal der Raketen mit längerer Reichweite großteils aufgebraucht ist. Dazu kommt, dass man mit Kurzstreckenraketen und Mörsergranaten, die nur sehr kurz in der Luft sind, kaum abgefangen werden können und keine Zeit zur Flucht in Bunker lassen, mehr Schaden anrichten kann. Der Bub etwa, der am Freitag starb, hatte theoretisch nur etwa drei Sekunden zur Flucht.
Parallel dazu kämpft die Hamas vermehrt gegen Feinde in den eigenen Reihen. Mindestens 25 mutmaßliche Kollaborateure sollen am Wochenende standrechtlich und zum Teil öffentlich exekutiert worden seien, darunter Frauen. Die des Verrats Verdächtigen wurden offenbar schon vor der gezielten Tötung dreier führender Hamas-Kommandanten in der Vorwoche bei Luftangriffen verhaftet.
Fotos zeigen Männer mit Säcken über dem Kopf kurz vor ihrer Erschießung. Sie werden von vermummten Hamas-Kämpfern in schwarzer Uniform bewacht. Den Leuten wird vorgeworfen, Israel Informationen über geheime Tunnel, Raketenrampen oder Einschlagsorte israelischer Lenkwaffen sowie Opfer unter der Hamas geliefert zu haben. Das Palästinensische Menschenrechtszentrum (PCHR) in Gaza protestierte gegen die Hinrichtungen und appellierte an die Palästinensische Autonomiebehörde zu intervenieren. Diese Exekutionen „fügen uns allen Schaden zu“, heißt es in einer Erklärung des PCHR.
Hamas in Panik?
Amos Harel, Militärkorrespondent der liberalen Zeitung „Ha'aretz“, glaubt nicht, dass die mutmaßlichen Kollaborateure für den israelischen Geheimdienst Shin Beth tätig waren. Sie hätten sich vielmehr wohl öffentlich gegen die Hamas gestellt. Schon während der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas vor zwei Jahren waren mutmaßliche Kollaborateure außergerichtlich exekutiert worden. Hamas-Aktivisten hatten eines ihrer Opfer mit einem Seil an ihr Motorrad gebunden und kilometerweit durch die Straßen geschleift.
Beobachter glauben, dass die öffentlichen Hinrichtungen der Abschreckung dienen sollen, aber auch „Signal für Panik unter der Hamas-Führung“ seien.
HINRICHTUNGEN
In Gaza geht die Hamas gegen mutmaßliche Verräter vor: Am Wochenende wurden mindestens 25 Personen, darunter zwei Frauen, wegen Kollaboration mit Israel hingerichtet, ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren. Der Wahrheitsgehalt der Vorwürfe war nicht ergründbar. Beobachter glauben, dass in der Hamas-Spitze die Nerven blank liegen und sie ob des ausbleibenden Erfolgs gegen Israel die Daumenschrauben anziehen muss.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)