Deutschland: Streik liegt in der Luft

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Die Piloten der Lufthansa drohen wegen der Abschaffung von Frühpensionsregeln mit Streik. Gleich tun es ihnen die Lokführer: Sie fordern von der Bahn höhere Gehälter.

Frankfurt. Den Deutschen droht Ungemach. Viele sollen in Kürze aus dem Urlaub zurückfliegen, Millionen andere pendeln schon wieder mit dem Zug zur Arbeit. Beide Gruppen haben Grund zur Sorge: Die Piloten der Lufthansa drohen mit Streik, die Lokführer und Zugbegleiter der Deutschen Bahn ebenso. Ein zeitgleicher Ausstand wäre verheerend. Zwei kleine Berufsgewerkschaften könnten schon bald das ganze Land lahmlegen.

Die Hintergründe sind ganz unterschiedlich: Die Lufthansa steht im Konkurrenzkampf mit dem Rücken zur Wand und fordert Opfer, die die Herren der Lüfte verweigern. Bei der Bahn konkurrieren zwei Gewerkschaften um Mitglieder und überbieten sich in Forderungen – was ein geplantes Gesetz zur Tarifeinheit schon längst verhindern sollte.

Im Flugbereich klingen die Drohungen nach einem Déjà-vu: Vor zwei Jahren streikte das Bordpersonal (Gewerkschaft Ufo), im April 2013 legte das Bodenpersonal die deutschen Flughäfen lahm (Gewerkschaft Verdi). Die größte Schlagkraft aber haben die 5400 Lufthansa-Piloten von „Cockpit“: Als sie heuer im April vier Tage lang am Boden blieben, saßen 425.000 Reisende fest. Der Schaden für die Fluglinie belief sich auf 60 Mio. Euro. Statt drei Tage im Voraus wollen sie einen Streik jetzt nur mehr mit einer Frist von 48 Stunden ankündigen. Das erschwert die Notfallplanung und verschärft die Probleme der Passagiere.

Mit 55 Jahren...

Nur vordergründig geht es um zehn Prozent mehr Gehalt. Im Zentrum stehen komfortable Frühpensionsregelungen: Schon mit 55 Jahren können sich die Flugkapitäne in den vorzeitigen Ruhestand verabschieden. Dafür kassieren sie bis zu 60Prozent des letzten Jahresgehalts. Die „Übergangsversorgung“ belastet die Bilanz mit 1,2 Mrd. Euro. Zumindest für neu eingestellte Piloten will das Management sie nun streichen. Denn andere Fluglinien kennen solche Privilegien nicht. Mit durchschnittlich 180.000 Euro im Jahr verdienen die Kranich-Piloten weit mehr als die meisten ihrer Kollegen. Dabei verspürt Europas größte Fluggesellschaft zunehmend schärferen Gegenwind. Der Druck kommt von den Billigfluglinien Rynair und Easyjet ebenso wie von Emirates und Etihad, wo Scheichs mit Staatsmitteln die Kriegskassen füllen. Als Antwort darauf hat Vorstandschef Carsten Spohr schon 3000 Stellen in der Verwaltung abgebaut. Um sich strategisch zu behaupten, plant er mit dem Wings-Konzept neue eigene Billigmarken auch im Langstreckenbereich. Dagegen laufen die Piloten Sturm, wie schon erfolgreich beim Start von Germanwings. Die Spitzenverdiener am Steuerknüppel werden so zunehmend zum Renditekiller im Konzern: Zwölf Prozent der Belegschaft kosten ein Drittel der Gehaltssumme.

Kampf um Mitglieder

Ganz anders bei der Bahn. Dort hatten sich bis vor Kurzem zwei Gewerkschaften die Kompetenzen geteilt: Die GDL vertrat die Lokführer, die EVG das sonstige Zugpersonal. Im Juni kündigten sie den Pakt auf, nun buhlen alle um alle – und versuchen, sich in den Tarifverhandlungen markig zu profilieren: 15Prozent mehr Lohn, bessere Altersvorsorge und Einstufungen. Vereint sind die beiden nur im Kampf gegen den Arbeitgeber Bahn, der einen einheitlichen Tarif durchsetzen will. Nach dem Willen der Großen Koalition sollte diese Tarifeinheit längst Pflicht sein: ein Unternehmen, eine Gewerkschaft – es sei denn, die Zuständigkeiten sind (wie beim Flugpersonal) klar getrennt. Aber der Gesetzesentwurf hängt im Büro von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) fest. Der Grund sind verfassungsrechtliche Bedenken. Denn anders als im Österreich der sozialpartnerschaftlichen Zwangsmitgliedschaften ist in Deutschland die „Koalitionsfreiheit“ im Grundgesetz verankert – und sie wäre durch das geplante Gesetz eingeschränkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2014)

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