Zalando schreit bald an der Börse

Parcels of Europe´s biggest online fashion retailer Zalado are pictured during a media presentation in Berlin
Parcels of Europe´s biggest online fashion retailer Zalado are pictured during a media presentation in Berlin(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
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Europas größter Onlinehändler für Mode und Schuhe platziert elf Prozent Anteile in Frankfurt. Trotz stürmischen Wachstums bleiben Zweifel am Geschäftsmodell.

Berlin. Der Postbote steht in der Tür, die überdrehte Frau stößt einen Freudenschrei aus, und der Abspann verspricht: „Schrei vor Glück – oder schick's zurück.“ So lautstark hat Zalando seine Werbebotschaft getrommelt, dass praktisch jedem Deutschen der Internethändler aus Berlin ein Begriff ist. Im ersten Halbjahr schrieb der Star der Start-ups erstmals schwarze Zahlen. Zeit für den Börsengang: Noch diesen Herbst will das Unternehmen zehn bis elf Prozent neue Anteile am Frankfurter Parkett platzieren. Ob aber nüchterne Aktienhändler darob vor Glück schreien werden, ist noch nicht ausgemacht.

Dabei gibt die Story viel her. In nur sechs Jahren wurde aus der Wohngemeinschaft zweier BWL-Absolventen, die ihre ersten Pakete noch selbst verschnürten, der europäische Marktführer im Onlinehandel für Schuhe und Mode, mit 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 2,4 Mrd. Euro. Kühn hat der Schrecken des stationären Vertriebs expandiert, in 15 Staaten Europas. Auf dem Weg an die Spitze haben Investoren 300 Mio. verbrannt. Wachsen um jeden Preis, bevor im E-Commerce die Territorien abgesteckt sind: So lautet die Devise. Der Börsengang soll 500 bis 700 Mio. bringen. Zalando wäre demnach rund sechs Milliarden wert. Eine Firma, der manche prophezeiten, sie werde nie aus den roten Zahlen kommen.

Woher die Skepsis? Der erste Geldgeber war der Inkubator Rocket Internet. Diese weltweit agierende Start-up-Schmiede aus Berlin ist der zweite spektakuläre deutsche Börsengang, der in diesem Herbst ansteht. Dahinter stehen die drei Samwer-Brüder, die bei vielen Gründern nicht gut angeschrieben sind. Denn sie finanzieren nicht neue Ideen, sondern lassen die Ideen anderer nachmachen. So war Zalando eine Kopie des US-Händlers Zappos. Auch Investoren hegen Misstrauen: Schon öfter haben die Samwers Firmen geschickt aufgepumpt und teuer verkauft, die anschließend rasch ins Straucheln gerieten, wie StudiVZ und den Klingeltonanbieter Jamba. Vielleicht auch um solche Bedenken zu zerstreuen, bleiben die Zalando-Eigner nun vorerst in vollem Umfang dabei. Zudem ist der Samwer-Fonds mit 17 Prozent nicht mehr dominierender Aktionär. An erster Stelle steht der schwedische Risikokapitalgeber AB Kinnevik mit 36 Prozent.

Retouren als Renditefresser

Rocket Internet hat sogar schon in manchen Ländern die eigene Schöpfung Zalando geklont. Der weiteren Expansion des Börsenneulings scheinen damit Grenzen gesetzt. Zalando muss bestehende Kunden stärker binden. Das soll durch einen stärkeren Fokus auf Mode, den Ausbau der Eigenmarken und neue Spielereien für Smartphone und Tablets gelingen. Bisher, monieren Experten, fehlt der Marke das Eigenständige, Unverwechselbare. Im Detail feilt das Management aber eifrig an den Prozessen: bei der Suchmaschinenoptimierung, der Gestaltung der Seite, der Logistik. Fragwürdig optimiert wird offenbar der Arbeitseinsatz der Lagerarbeiter: Über die Bedingungen in den Logistikzentren sind immer wieder Klagen zu hören.

Durch ein Versprechen hat sich Zalando aber schon bisher abgehoben: die größtmögliche Kulanz bei Retourlieferungen. Jedes zweite Stück geht zurück, noch mehr als sonst in der Branche üblich. Die „Shopping-Bulimie“ verursacht gewaltige Kosten: Die Ware muss geprüft, gereinigt, gebügelt und umgepackt werden. Das drückt die Rendite. Die Zalando-Gründer sehen das aber als Teil ihres Geschäftsmodells: Sie sparen sich die Kosten des stationären Handels und investieren das Ersparte in die Retouren. Doch selbst wenn man wollte: Das (längst weggelassene) „...oder schick's zurück“ hat sich so in die Köpfe der Käufer eingeprägt, dass eine Korrektur kaum möglich ist. Ein „Testlauf“, der besonders dreiste Retournierer in die Schranken weisen sollte, wurde nach wütenden Protesten eingestellt. Auch die Möglichkeiten einer neuen EU-Richtlinie, nach der Firmen für Retouren leichter Geld verlangen dürfen, kann Zalando nicht nutzen.

Ob der Kostennachteil sich in einen Marktvorsprung ummünzen lässt: Diese Frage bewegt nun auch die Börsianer. Im besten Fall wird Zalando ein „Amazon der Mode“. Der größte Onlinehändler der Welt hat übrigens in acht Jahren 3,5 Mrd. Dollar verbrannt, bevor er endlich profitabel wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2014)

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