Billige Butter: Putins Sanktionen als „Tsunami“ für Europas Bauern

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Durch den Einfuhrstopp ist zu viel Milch auf dem Markt. In Deutschland senkte Aldi die Butterpreise massiv. Die Bauern rebellieren – wohl bald auch in Österreich.

Berlin/Wien. Deutsche Konsumenten können sich die Butter ruhig noch etwas dicker aufs Brot schmieren. Denn sie ist jetzt noch billiger: Das Viertelkilo kostet im Supermarkt nur noch 85 Cent, über ein Drittel weniger als noch im Vorjahr. Aber für die Milchbauern, dem ersten und schwächsten Glied der Lieferkette, ist der starke Preisverfall ein Problem. Die Kette von Ursachen lässt sich auf zwei Namen zusammenfassen: Aldi und Putin. Der Diskonter, Mutter von Hofer in Österreich, senkte am Montag die Preise. Edeka, Rewe, Lidl, Penny und Netto zogen innerhalb von wenigen Stunden nach. Denn der gesamte Lebensmittelhandel orientiert sich bei Produkten im preislichen Einstiegsbereich am Diskont-Marktführer. Aldi hat die neue Rotstiftaktion mit dem russischen Importverbot für Lebensmittel begründet, das die Erzeugerpreise talwärts schickt. Nun steigen die Bauern auf die Barrikaden: Sie werfen dem Handelsriesen und seinen Nachahmern vor, die Ukraine-Krise auszunutzen, um noch mehr Druck auszuüben.

Tatsächlich sind die Erzeugerpreise durch das wachsende Angebot weltweit und seit vielen Monaten unter Druck. Die russische Retourkutsche für westliche Sanktionen verschärft aber die Situation. Zwar exportieren deutsche Molkereien nur geringe Mengen an Butter und Milch nach Russland. Doch andere Länder leiden stärker unter dem Einfuhrstopp: Polen, das Baltikum, die Niederlande. Von dort sucht sich die überschüssige Milch nun neue Abnehmer, und fließt so auch auf den deutschen Markt.
Allerdings haben die deutschen Milchbauern gerade erst sehr gute Zeiten hinter sich: Im Vorjahr erreichte der Milchpreis ein Allzeithoch. Die 25 Deka Butter kosteten bis zu 1,29 Euro (in Österreich liegen die Preise heute noch darüber). Umso schmerzhafter der abrupte Absturz. Schon im Frühling senkte der Handel den Preis auf unter einen Euro, ein Niveau, das es schon länger nicht mehr gab. Dass gerade der Butterpreis schnell auf eine geänderte Marktsituation reagiert, hat einen einfachen Grund: Bei Milch, Käse und Joghurt gibt es längerfristige Verträge, nur beim Streichfett verhandeln Molkereien und Handel ihre Kontrakte monatlich neu.

Sanktionen auch in Österreich spürbar

Anders in Österreich. Hierzulande werden die Preise je nach Situation neu festgelegt, heißt es von Handels- und Molkereivertretern. Stehen auch hier Senkungen ins Haus? Spar führe bereits „seit einer Weile“ Gespräche mit den Molkereien, „aber es gibt noch keine konkreten Ergebnisse“, sagt Sprecherin Nicole Berkmann. Das liege aber nur zum Teil am russischen Importverbot. Es sei einfach sehr viel mehr Milch verfügbar als im überaus heißen Sommer des Vorjahrs. Die Sanktionen vergrößerten die Menge zusätzlich. Bei Rewe äußert man sich zu Preisentwicklungen „aus kartellrechtlichen Gründen“ nicht. Ebensowenig bei der österreichischen Aldi-Tochter Hofer, die die Anfrage mit einem E-Mail quittiert: Es gebe Rabattaktionen für österreichische Äpfel und Tomaten, im Zuge derer die Kunden nur die Hälfte bezahlen, die Bauern aber weiterhin den gleichen Preis erhalten.

Die russischen Importbeschränkungen sind aber jedenfalls in Österreich angekommen. „Wir spüren Druck, weil mehr Menge vorhanden ist“, sagt Helmut Petschar, Direktor der Kärntnermilch und Präsident der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter. Im Vorjahr hätten die österreichischen Molkereien Produkte im Wert von rund 13 Mio. Euro nach Russland geliefert, 2012 waren es erst fünf Mio. „Das war also durchaus ein Hoffnungsmarkt“, so Petschar. Das Problem sei vor allem, dass sich große Erzeugerländer andere Märkte suchen müssten. Die Preise, die die Molkereien den Bauern zahlen, werden vierteljährlich verhandelt und sind bis Ende September fixiert. Wobei man von deutschen Verhältnissen weit entfernt ist – mit Einstiegspreisen von 1,39 Euro pro Viertelkilo Butter.

Dennoch verglich Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer, den russischen Importstopp am gestrigen Donnerstag mit einem „Tsunami“ für den europäischen Agrarsektor. Österreich sei mit einem Exportvolumen von rund 100 Mio. Euro von den Sanktionen betroffen, sagt Agrarminister Andrä Rupprechter (ÖVP). Er will den Ausfall durch Exporte in andere Weltregionen kompensieren, etwa China und Nordafrika. EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş kündigte Unterstützungen für europäische Bauern im Wert von 180 Mio. Euro an. Näheres werde beim heutigen Sonderrat der EU-Agrarminister besprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2014)

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